Investmentlösungen

Im Digitalzeitalter können Burggräben mehr schaden als nützen

Investoren sollten hergebrachte Vorstellungen über strukturelle Markteintrittsbarrieren aufgeben, wenn sie in Unternehmen investieren wollen, die fit für das digitale Zeitalter sind, meint Brad Slingerlend von NZS Capital, strategischer Partner von Jupiter Asset Management.

Ein Tipp ‒ suchen Sie schnellstens das Weite, wenn Sie einen Manager den Satz sagen hören: „Weil wir das schon immer so gemacht haben.“

Für Unternehmen, die im Digitalzeitalter überleben oder sogar florieren wollen, gibt es vier wichtige Schlagwörter: Anpassung, Weiterentwicklung, Innovation, Disruption.

Innovativ müssen die Unternehmen nicht nur im Wettbewerb mit ihren Konkurrenten sein – um relevant zu bleiben, müssen sie auch erkennen und akzeptieren, wenn der Zeitpunkt gekommen ist, um ihre eigenen Strukturen und Geschäftsmodelle zu überarbeiten oder sogar neu zu erfinden.

Dafür ist wichtig, dass sie den Kunden und nicht den Profit in den Mittelpunkt stellen. Unternehmen, die kundenorientiert handeln, erfüllen bereits die wichtigste Voraussetzung für Profitabilität.

Unternehmen aus dem Industriezeitalter tun sich schwer mit dieser neuen Philosophie und dem neuen operativen Imperativ. Das ist auch ein Grund, warum sie so anfällig für Disruption sind. Manager, die nach einem MBA an einer der großen Business Schools Karriere gemacht haben, sind in der Regel noch dem Wirtschaftsethos des 20. Jahrhunderts verhaftet – der Maximierung des Gewinns (der dann zwischen Aktionären und Führungskräften aufgeteilt wird) durch den Aufbau von „Burggräben“ und Markteintrittsbarrieren zum Schutz gegen Wettbewerber und die Preisgabe wichtiger Informationen.

Im Digitalzeitalter aber, in dem Informationen frei und fast in Echtzeit verfügbar sind, können derartige Strategien ein Unternehmen eher schwächen als stärken. Im Zeitalter der künstlichen Intelligenz, in dem Innovatoren praktisch unbegrenzte Mengen an kostengünstiger Rechnerkapazität nutzen können, um ihre Datenberge zu analysieren, sind derartige „Old School“-Ansätze zunehmend existenzbedrohend.

Kurz gesagt: Dank der zunehmenden Datentransparenz und Möglichkeit, aus Informationen monetisierbare Produkte und Dienstleistungen zu machen, haben die Disruptoren leichtes Spiel. Ihre Burggräben und anderen Abwehrmechanismen helfen den Unternehmen in diesem Umfeld kaum mehr.

Anstatt sich so abzuschirmen, gehen die Unternehmen des Informationszeitalters in die Offensive. Ihre Mission lautet, für ihr Ökosystem so viel Wert zu schaffen, dass niemand den Anbieter wechseln möchte.

Bei der jüngsten Ergebnis-Telefonkonferenz von Taiwan Semiconductor Manufacturing Corp. wurde CEO C.C. Wei gefragt, warum sein Unternehmen seine technologische Überlegenheit und marktführende Position in der Auftragsfertigung von Halbleiterchips nicht nutzt, um die Preise aggressiv anzuheben.

Weis Antwort war ein Paradebeispiel dafür, wie ein Unternehmen des Digitalzeitalters denkt und handelt – und Ausdruck der „Non-Zero-Sumness“, die wir als Investoren bei Unternehmen suchen: der Entschlossenheit, mit allen Stakeholdern zusammenarbeiten, um mehr Wert zu schaffen, als Ressourcen beansprucht werden.

„Wir pflegen einen intensiven Austausch mit unseren Kunden und wollen ihnen helfen, erfolgreich zu sein. Im Gegenzug möchten wir eine angemessene Rendite erzielen“, erklärte Wei den zugeschalteten Analysten. „Genauso werden wir auch in Zukunft weiter vorgehen – wir werden unser Bestes tun, um unseren Kunden zuzuhören und zu wachsen, und wir werden weiter eine angemessene Rendite erzielen wollen.“

Weis Bemerkungen zeigen auch, wie wichtig es ist, langfristig zu denken. Das Denken in Zeithorizonten von mehr als fünf Jahren kann kurzfristig Opfer fordern. Für die Förderung von Innovation und Nicht-Nullsummen-Wertschöpfung sind bedeutende, kontinuierliche und langfristige Investitionen aber unverzichtbar.

Unternehmen des Digitalzeitalters haben allerdings nicht nur ihre Kunden im Blick.

Anstatt ihre Lieferanten unter Druck zu setzen, immer neue Zugeständnisse zu machen und immer niedrigere Preise zu akzeptieren, legen sie großen Wert darauf, ein guter Partner zu sein. Durch die Verankerung höchster Ansprüche an eine erstklassige Umsetzung schaffen sie so viel langfristigen Wert für Kunden, Lieferanten, Mitarbeiter, Investoren und den Planeten, dass sich disruptive Konkurrenten schwer tun werden, ihnen Marktanteile abzunehmen.

Dafür braucht es jedoch nicht nur sehr fähige Managementteams, sondern auch dezentrale Entscheidungsstrukturen. In einem psychologisch sicheren Umfeld fällt es den Mitarbeitern leichter, langfristig zu denken. Vor allem haben sie in einem solchen Umfeld eher den Mut, Neues auszuprobieren, weil Scheitern nicht mit Versagen gleichgesetzt oder abgestraft wird.

Ein umsichtiges, bewusstes Management kann für den Erfolg oder Misserfolg eines Unternehmens entscheidend sein. Inspirierende Unternehmenslenker entwickeln ihre Geschäftsmodelle kontinuierlich weiter und fördern Innovationen, die ein kontrolliertes, hochwertiges Wachstum ermöglichen. Kurzsichtige Führungskräfte können starren Denkstrukturen verhaftet sein und einem explosiven Wachstum hinterherjagen, das bald wieder verpufft. Wirklich gute Managementteams verschwenden ihre Zeit nicht mit schlechten Geschäften. Investoren sollten das auch nicht tun.

Nicht einmal die besten Unternehmen aber sind immun gegenüber der Disruption. Es wird immer innovative Anbieter geben, die die gleiche Dienstleistung oder das gleiche Produkt zu einem günstigeren Preis anbieten oder mit qualitativ hochwertigeren Optionen trumpfen können. Unternehmen, die ein sehr hochwertiges Produkt oder eine sehr hochwertige Dienstleistung mit einem niedrigen Preis kombinieren, haben den Zenit der Netzwerkeffekte und „Non-Zero-Sumness“ erreicht. Dies ist die Art von Disruption, die Unternehmen des Digitalzeitalters besonders gut beherrschen ‒ sie binden ihre Kunden an sich, indem sie ihnen die beste Qualität zum niedrigsten Preis bieten.

In einer Welt, in der Informationen akribisch geschützt wurden, erfüllten strukturelle Marktzutrittsschranken und traditionelle Wettbewerbsgräben ihre Aufgabe. Im Digitalzeitalter sind derartige Abwehrmechanismen ein Anachronismus.

Innovatoren sind die Unternehmenswertschöpfer von morgen ‒ was in diesem Fall vermutlich mehrere Jahrzehnte bedeutet ‒ und Anleger sollten nach vorausschauenden, anpassungsfähigen und disruptiven Unternehmen Ausschau halten, die dieses neue operative Paradigma verstehen.


Dies ist ein Artikel von:

Brad Slingerlend

Brad Slingerlend ist Mitgründer und Anteilseigner von NZS Capital, Denver, mit einem verwalteten Vermögen von über 1 Milliarde US-Dollar und dem Schwerpunkt auf innovativen Unternehmen, die mehr Wert für ihre Stakeholder – einschließlich ihrer Investoren, Mitarbeiter, Lieferanten und lokalen Gemeinschaften sowie des Planeten – schaffen, als sie in Ressourcen beanspruchen. NZS Capital unterhält eine strategische Partnerschaft mit Jupiter Asset Management.

Besuchen Sie jupiteram.com/de_NZS für weitere Informationen zu unserem globalen Aktienfonds, der von NZS Capital verwaltet wird, oder kontaktieren Sie Peter Peterburs, Sales Direktor, Norddeutschland, E-Mail: peter.peterburs@jupiteram.com.


Dies ist ein Artikel aus dem aktuellen FINANCIAL PLANNING Magazin. Hier geht es zur aktuellen Ausgabe:


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