Financial & Estate Planning I Praxis

Vermögensreporting und Steuern ‒ eine unwiderstehliche Verbindung

Interview mit DR. CLAUDIA KLÜMPEN-NEUSEL und CHRISTOPH WESTHOFF von gkn Gräfe Klümpen-Neusel

Dr. Claudia Klümpen-Neusel

Rechtsanwältin, Steuerberaterin, Partnerin,
bei gkn Gräfe Klümpen-Neusel Rechtsanwälte Steuerberater PartG mbB

Christoph Westhoff

Steuerberater und Senior Manager bei gkn Gräfe Klümpen-Neusel Rechtsanwälte Steuerberater PartG mbB

Sehr geehrte Frau Dr. Klümpen-Neusel, sehr geehrter Herr Westhoff, Ihre Kanzlei ist unter anderem auf die steuerliche Ermittlung und Erfassung von Einkünften aus Kapitalvermögen spezialisiert. In diesem Bereich arbeiten Sie sehr eng mit Kooperationspartnern zusammen, die ein sogenanntes Vermögensreporting anbieten. Können Sie kurz erläutern, wie ein Reporting funktioniert und welchem Zweck es dient?

Dr. Claudia Klümpen-Neusel: Ein Vermögensreporting basiert auf der fortlaufenden Erfassung, Verbuchung und Auswertung sämtlicher Geschäftsvorfälle und Vermögenswerte. Wertpapierdepots, Immobilien, Unternehmensbeteiligungen, Kunstsammlungen und viele weitere Anlagen werden zu einem einheitlichen, übersichtlichen Reporting zusammengefasst. Das Reporting dient somit als Informationssystem und zeigt regelmäßig den Stand und die Entwicklung der wirtschaftlichen Aktivitäten, Vermögensanlagen und Verpflichtungen.

Hat es denn Vermögensübersichten nicht „schon immer“ gegeben? Jede Bank sendet Ihnen doch heutzutage eine Vermögensübersicht mit Bestandsveränderungen zu. Inwieweit unterscheidet sich das von einem „digitalen Reporting“?

Christoph Westhoff: Es ist richtig, dass die Banken Vermögensübersichten zur Verfügung stellen. Teilweise aber nur monatlich oder quartalsweise. Und oft führt ein Anleger Depots etc. nicht nur bei einer Bank und man verliert den Überblick über das Gesamtvermögen. Mit einem „digitalen Reporting“ erhalten Sie einen schnellen und umfassenden Überblick über die Entwicklung aller Vermögenspositionen. Außerdem ist es in der heutigen Welt der Digitalisierung für Kunden nicht mehr zielführend, dass sie nur monatlich einen Vermögensbericht bekommen, und das auch noch mit zwei Wochen Verspätung zum Monatsultimo. Die Kundenerfahrungen und -bedürfnisse haben sich weiterentwickelt. In anderen Industrien ist es längst gang und gäbe, dass die Dienstleistungen ständig verfügbar und über mehrere Kanäle zu erreichen sind.

Der Einsatz moderner Technik ist vor allem für das Reporting von Kapitalanlagen und der sich daraus ergebenden Beratung sehr wichtig. Denn das digitale Reporting kann neben den Bedürfnissen der Kunden auch auf die Anforderungen der verschiedenen Ansprechpartner rund um das Vermögen angepasst werden. Moderne Technik ist darüber hinaus auch erforderlich, um zum einen das Reporting zu beschleunigen und zum anderen einen Mehraufwand im Bereich der steuerlichen Compliance zu vermeiden.

Und was hat das Vermögensreporting mit steuerlicher Compliance zu tun?

Dr. Claudia Klümpen-Neusel: Das Vermögensreporting kann nicht nur als Informationsquelle für die wirtschaftlichen Daten und Kennzahlen dienen, sondern kann gleichermaßen als Basis zur Ermittlung der steuerlich relevanten Einkünfte herangezogen werden. Bei einem modernen Reportingsystem werden sämtliche Wertpapierbuchungen, z. B. Zeitpunkt der Anschaffung und Veräußerung, jeweilige Höhe der Anschaffungskosten bzw. des Veräußerungspreises, Währungskurse etc., über Bankschnittstellen und weitere Informationsplattformen erfasst. Damit liegen alle Informationen vor, die für die Ermittlung des steuerlichen Ergebnisses erforderlich sind. Der Steuerberater muss also nicht mehr in händischer Kleinstarbeit alle Daten erneut zusammensuchen und erfassen.

Das muss der Steuerberater doch auch ohne Vermögensreporting nicht machen. Erhält nicht jeder Anleger separat für jedes Depot eine gesonderte Steuerbescheinigung seitens seiner Bank „frei Haus“? Diese reicht der Anleger üblicherweise an seinen Steuerberater weiter, der die Daten anschließend in das Steuerformular überträgt. Oder ist das nicht zutreffend?

Christoph Westhoff: Das mag so funktionieren, wenn die Kapitalanlagen im Privatvermögen des Steuerpflichtigen gehalten werden. Dies gilt zum einen aber nur dann, wenn das jeweilige Depot bei einer Bank in Deutschland geführt wird. Denn nur in Deutschland ansässige Banken oder Zweigstellen von Banken unterliegen dem deutschen Steuerrecht; nur diese sind daher gesetzlich verpflichtet, dem Anleger eine entsprechende Bescheinigung zur Verfügung zu stellen. Banken im Ausland trifft diese Pflicht nicht. Sofern die ausländischen Banken aber deutsche Steuerpflichtige zu ihrer Zielklientel zählen, stellen sie oftmals eine den deutschen Anforderungen entsprechende Steuerbescheinigung auf freiwilliger Basis zur Verfügung. Doch selbst dann – und das ist ein weiterer Aspekt – sind die Steuerbescheinigungen der Banken nicht vollständig. Steuerpflichtige private Veräußerungsgeschäfte sind nämlich in diesen Bescheinigungen nicht enthalten. Darauf weisen die Banken in den Steuerbescheinigungen auch immer explizit hin.

Wie können denn solche steuerpflichtigen privaten Veräußerungsgeschäfte in einem Depot entstehen?

Dr. Claudia Klümpen-Neusel: Stellen Sie sich vor, ein Anleger führt ein Fremdwährungskonto – z. B. in Schweizer Franken – und erwirbt von diesem Konto aus ein Wertpapier, das in Schweizer Franken notiert ist. Der Anleger geht wirtschaftlich davon aus, dass er sich innerhalb derselben Währung bewegt und Kursschwankungen damit für ihn nicht relevant sind – aus diesem Grund hat er schließlich das Schweizer-Franken-Konto. Aus deutscher steuerlicher Sicht stellen die Schweizer Franken aber ein eigenständiges Wirtschaftsgut dar, das vom Anleger zuvor angeschafft wurde. Möchte er das Wirtschaftsgut „Schweizer Franken“ in das Wirtschaftsgut „Investmentfondsanteil“ umwandeln, veräußert er somit zuerst die Währung „Schweizer Franken“ – er tauscht also Schweizer Franken in Euro – und erwirbt dann mit Euro den auf Schweizer Franken lautenden Fondsanteil. Die Veräußerung des Wirtschaftsgutes „Schweizer Franken“ kann in diesem Zusammenhang zu einem steuerpflichtigen Veräußerungsgewinn führen, wenn der Anleger die konkret veräußerten Schweizer Franken noch nicht länger als ein Jahr in seinem Bestand hatte.

Und woher weiß der Anleger, welchen konkreten Schweizer-Franken-Bestand er für den Erwerb des Fondsanteils eingesetzt hat? Wahrscheinlich wird er ja über einen höheren Währungsbestand verfügen als er für den Erwerb des Fondsanteils aufwenden muss. Möglicherweise wird sich der Währungsbestand in der Vergangenheit auch einmal verändert haben. Nicht jeder Franken ist vom Anleger zur selben Zeit angeschafft worden.

Dr. Claudia Klümpen-Neusel: Das gibt das Gesetz vor. In § 23 Abs. 1 Nr. 2 Einkommensteuergesetz (EStG) heißt es: „Bei Anschaffung und Veräußerung mehrerer gleichartiger Fremdwährungsbeträge ist zu unterstellen, dass die zuerst angeschafften Beträge zuerst veräußert wurden.“ Es gilt also die Fifo-Methode (first in first out). Das zeigt aber auch, dass die Bestände und Bestandsveränderungen nachgehalten werden müssen. Um das korrekte steuerliche Ergebnis ermitteln zu können, müssen Sie daher wissen, in welcher Höhe welcher Bestand wann angeschafft und wann davon etwas wieder veräußert wurde. Diese Informationen sind in der Steuerbescheinigung einer Bank ebenso wenig enthalten wie Angaben über einen steuerpflichtigen Veräußerungsgewinn im Allgemeinen. Es ist somit Aufgabe des Steuerberaters, diese Informationen in akribischer Kleinstarbeit zusammenzusuchen. In einem modernen Vermögensreporting hingegen werden die Daten von der Bank im Idealfall über eine Schnittstelle eingespielt und automatisch für die Fremdwährungsergebnisse verarbeitet. Aus dem gelieferten Fremdwährungsreporting muss dann nur noch eine Zahl für die Anlage SO übernommen werden.

Okay, das habe ich verstanden. Das gilt also, wenn der Anleger die Kapitalanlagen in seinem Privatvermögen hält. Wie verhält es sich nun, wenn der Anleger die Kapitalanlagen über eine GmbH hält, die Kapitalerträge somit in einem Betriebsvermögen anfallen?

Christoph Westhoff: Unternehmen oder auch Stiftungen müssen alle Transaktionen einzeln verbuchen. Gerade für die Bilanzierung von Wertpapiervermögen bestehen komplexe handels- und steuerrechtliche Regelungen. Hier gilt zudem die gesetzliche Verpflichtung: „Keine Buchung ohne Beleg“. Die Unterlagen der Banken (Erträgnisaufstellung, Steuerbescheinigung, Belege etc.) werden – wie bereits erwähnt – oft nur für Privatanleger ausgestellt und sind deshalb für den Buchhaltungsprozess nicht verwendbar. Beim Erstellen des Jahresabschlusses und bei der Anfertigung der Steuererklärung fehlen dann wichtige Daten und Informationen, die wiederum mühsam aus externen Datenquellen zusammengesucht und in Excel-Tabellen manuell aufgearbeitet werden müssen (Kurse, Währungen, Fondsklassifikationen, Bezugsebene etc.). Die Standardbuchführungsprogramme der Steuerberater können diese Anforderungen derzeit noch nicht erfüllen.

Wie hilft das Vermögensreporting hier weiter und worin liegen überhaupt die Unterschiede zum Privatvermögen?

Christoph Westhoff: Die moderne Vermögensreportingplattform bietet eine automatisierte Verbuchung von betrieblichen Wertpapierdepots für Zwecke des deutschen Handels- und Steuerrechtes. Der Steuerberater erhält am Ende eine finale Buchungsschnittstelle sowie bestimmte Arbeitspapiere für die Steuererklärung. Der von ihm zu erbringende zeitliche Aufwand verringert sich dadurch enorm.

Dieser Aufwand entsteht sonst unter anderem durch die unterschiedliche Methode bei der Ermittlung der Wertpapierveräußerungsgewinne. Für Privatanleger ist – wie bereits erwähnt – die Fifo-Methode zulässig. Handels- und steuerbilanziell ist für Wertpapiere im Girosammeldepot die Durchschnittsmethode vorgesehen. Das bedeutet, dass die ermittelten Veräußerungsergebnisse der Banken für die betrieblichen Anleger nicht herangezogen werden können und somit ohne ein Reportingsystem mühsam manuell ermittelt werden müssten.

Außerdem werden in den Steuerbescheinigungen und Erträgnisaufstellungen der Banken oft nur die investmentsteuerrechtlichen Teilfreistellungen für Privatanleger berücksichtigt. Teilfreistellungen geben jeweils den steuerfreien Anteil der sogenannten Investmenterträge an, d. h. der Erträge, die der Anleger aus der jeweiligen Fondsanlage erzielt. In Abhängigkeit von der Fondskategorie und der Rechtsform des Anlegers sind unterschiedliche Teilfreistellungssätze anwendbar. Bei betrieblichen Anlegern ist der steuerfreie Anteil deutlich höher. Daher sollte dieser Punkt auch ganz genau geprüft werden.

Im Zusammenhang mit Fondsanteilen ist darüber hinaus auch der sogenannte Aktiengewinn zu beachten. Dieser wurde zwar mit der Investmentsteuerreform durch die Teilfreistellung abgelöst, ist aber für Alt-Bestände noch zu berücksichtigen. Eingeführt wurde der Aktiengewinn, um in Anwendung des Transparenzprinzips eine Gleichbehandlung des betrieblichen Fondsanlegers mit dem Direktanleger zu gewährleisten. Der Aktiengewinn beinhaltet im Fonds angefallene Ergebnisse die z. B. § 8b KStG unterliegen und für GmbHs steuerfrei sind.

Das waren jetzt nur ein paar Beispiele. Daneben gibt es zahlreiche weitere Unterschiede zwischen der steuerlichen Behandlung von Kapitalerträgen im privaten und im betrieblichen Vermögen.

Gibt es außer diesen ertragsteuerlichen Themen noch mehr Bereiche, für die ein Vermögensreporting genutzt werden kann?

Dr. Claudia Klümpen-Neusel: Ja, da wären beispielsweise Mitteilungspflichten nach § 138 Abgabenordnung (AO) oder nach der Außenwirtschaftsverordnung zu nennen. Beides betrifft Auslandssachverhalte. Nach § 138 AO ist der Steuerpflichtige u. a. verpflichtet, dem Finanzamt den Erwerb oder die Veräußerung von Beteiligungen an einer Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse mit Sitz und Geschäftsleitung im Ausland jedes Jahr zusammen mit der Steuererklärung mitzuteilen, wenn die Beteiligung mindestens 10 Prozent umfasst bzw. die Anschaffungskosten für die Beteiligung mehr als 150 000 Euro betragen. Die Meldepflicht gilt auch für den Erwerb und die Veräußerung von Anteilen an ausländischen Investmentfonds. Wer vorsätzlich oder leichtfertig seiner Mitteilungspflicht nicht, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig nachkommt, kann mit einer Geldbuße von bis zu 25 000 Euro (pro Beteiligung!) bestraft werden. Je nach Einzelfall wird die zuständige Bußgeld- und Strafsachenstelle eingeschaltet. Die Finanzverwaltung weist in diesem Zusammenhang ausdrücklich darauf hin, dass auf die Erfüllung der Mitteilungspflicht nachdrücklich zu achten ist und diese auch mit Zwangsmitteln durchgesetzt werden kann.

Christoph Westhoff: Oder die Berücksichtigung von § 36a EStG: Zur Verhinderung der Umgehung einer Besteuerung von Dividenden durch sogenannte „Cum/Cum-Geschäfte“ schließt § 36a EStG die Anrechnung der erhobenen Kapitalertragsteuer unter bestimmten Voraussetzungen aus. Eine Anrechnung von Kapitalertragsteuer ist danach nur noch möglich, wenn ein Aktienerwerber die Aktie während eines Zeitraumes von 91 Tagen um den Dividendenstichtag herum mindestens 45 Tage gehalten und dabei ein erhebliches Kursrisiko getragen hat. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, sind die betroffenen Kapitalerträge beim Finanzamt anzuzeigen.

Auch diese Angaben zu § 36a EStG bzw. die für die Meldepflichten nach § 138 AO erforderlichen Informationen werden nicht von den Depotbanken bereitgestellt und müssen mit großem Aufwand manuell ermittelt werden, sofern nicht auf die Daten aus einem Vermögensreporting zurückgegriffen werden kann.

Wie würden Sie jetzt in aller Kürze das Zusammenspiel von Vermögensreporting auf der einen Seite und steuerlicher Compliance-Beratung auf der anderen Seite beschreiben?

Christoph Westhoff: Bei einem modernen Reportingsystem werden sämtliche Wertpapierbuchungen und alle benötigten Informationen für die Mitteilungspflichten über Bankschnittstellen und weitere Informationsplattformen erfasst. Nach der automatisierten Verarbeitung erfolgt die Ausgabe von Buchungsschnittstellen für den Steuerberater oder von Arbeitspapieren für die Übermittlung der relevanten Information an die Behörden.

Und wenn ich jetzt Interesse an so einem Reporting habe, was muss ich dann machen?

Dann können Sie sich gerne an unser Düsseldorfer Büro wenden. Sie erreichen uns unter der Telefonnummer 0211/280 415-02 oder per E-Mail unter info@gkn-partner.de.

Vielen Dank für das Gespräch!


Das Interview führte Maximilian Kleyboldt vom Netzwerk der Finanz- und Erbschaftsplaner e.V.


Dies ist ein Artikel aus dem aktuellen FINANCIAL PLANNING Magazin. Hier geht es zur aktuellen Ausgabe: