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Immobilienmarkt im Umbruch

Das vermeintlich schnelle Geld ist mit Immobilien nicht mehr zu machen. Der Transaktionsmarkt ist eingebrochen, Anforderungen bezüglich Nachhaltigkeit und ESG müssen gemanagt werden. Warum nun die Stunde des Asset Managements schlägt und sich Immobilien immer noch lohnen.

Von Ralf-Peter Koschny, Sprecher des Vorstands, bulwiengesa AG

Das Krisenumfeld aus gestiegenen Zinsen, Inflationswerten und Energie- und Baupreisen sowie der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung hat auf dem Immobilienmarkt deutliche Spuren hinterlassen. Der Markt ist weiterhin von Verunsicherung, Kaufzurückhaltung und Wertkorrekturen geprägt; die gewerblichen Transaktionszahlen verharren auf einem niedrigen Niveau. Aus unserer Perspektive sind die notwendigen Preisanpassungen aufgrund des veränderten Kapitalmarktumfelds mittlerweile jedoch weitgehend abgeschlossen – Käufer und Verkäufer dürften sich wieder einigen.

Der Markt wird zudem von einer Pleitewelle erschüttert. Im ersten Quartal 2024 entfallen laut Immobilienzeitung bereits 630 Insolvenzen auf Bauunternehmen, Entwickler und Immobiliendienstleister. Das ist ein Drittel der gesamten Insolvenzen des Jahres 2023 und ein Zuwachs zum Vorquartal von 15,6 Prozent. 

Gerade die Insolvenzmeldungen von Projektentwicklern füllen derzeit fast wöchentlich die Schlagzeilen. Fast alle Projektentwickler belastet die Mischung aus gesunkenen Verkaufspreisen, steigenden Materialkosten und hohen Finanzierungskosten. Die Situation ist ambivalent – während die einen Unternehmen um die Darstellung von Anschlussfinanzierungen ringen, sondieren liquide Investoren den Markt und feilen an den richtigen Markteintrittsstrategien und -zeitpunkten. Dabei ist Cherry Picking das Gebot der Stunde; man wartet auf Gelegenheiten, und dies oft auf Einzelobjektbasis. Opportunistische und Value-add-Investoren mit Manage-to-ESG-Ansätzen dürften hier verstärkt aktiv werden.

Eingefroren: Investmentmarkt

Betrachtet man die Zahlen zu den Investments des Jahres 2023, ist die Zäsur auf den Immobilienmärkten deutlich zu erkennen. Zum Jahresende liegt das Transaktionsvolumen in den gewerblichen Immobiliensegmenten mit nur knapp 23 Mrd. EUR in etwa auf dem Niveau von 2011. Das 10-Jahres-Mittel von rund 54 Mrd. EUR wurde deutlich unterschritten. Selbst in den großen Metropolen steht das Rad beinahe still: Am stärksten war der Rückgang in der Finanzmetropole Frankfurt (-79 Prozent auf 0,9 Mrd. EUR) sowie in Hamburg (-73 Prozent auf 1,2 Mrd. EUR).

Der Blick auf die Spitzenrenditen im gewerblichen Segment zeigt: Diese sind in allen Assetklassen und Standorttypen 2023 noch einmal deutlich angestiegen. Den stärksten Anstieg verzeichneten Büroimmobilien. München liegt als einziger A-Standort noch knapp unter 4,0 Prozent. Noch deutlicher zeigt sich die Preiskorrektur bei Objekten mit Qualitäts- oder Lagedefiziten, deren Preise noch stärker gefallen sind. Dies verdeutlicht die aktuellen Unsicherheiten der Investoren und den Fokus auf qualitativ hochwertige Objekte und Lagen.

Für 2024 erwarten wir deutlich geringere Preiskorrekturen als im Vorjahr sowie zwei weitere Zinssenkungen der Notenbanken bis Ende 2024. Damit sollten die Konditionen für Immobilienkredite weitestgehend stabil bleiben. Ein stabiles, besser planbares Zinsumfeld ist ein wichtiges Signal an die meist langfristig orientierten institutionellen Investoren – eine Belebung an den Investmentmärkten ist dann wieder abzusehen. Die aktuellen globalen konjunkturellen und geopolitischen Unsicherheiten erschweren jedoch Prognosen zur Entwicklung der Immobilien- und Investmentmärkte.

  •  Zwangslagen und Liquiditätsbedarfe führen zur Belebung des Transaktionsmarkts
  • Zinssicherheit nimmt zu und die Investitionsbereitschaft wächst
  • Erste Zinssenkungen beleben den Investmentmarkt zusätzlich
  • Gute Einstiegsopportunitäten vorhanden

Eingebrochen: Projektentwicklungen

Schon vor 2022 waren die Margen der Projektentwickler fast überall unter Druck, die steigenden Bau- und Grundstückspreise konnten aber in der Regel durch Kaufpreissteigerungen und durch neue hochpreisige Konzepte wie Mikroapartments kompensiert werden. Nach der Zinswende brachen die Preise für Wohnimmobilien um bis zu 20 Prozent und die für Gewerbeimmobilien um bis zu 25 Prozent ein. Damit können die Projektentwickler ihre eingepreiste Marge von 15 bis 20 Prozent nicht mehr erreichen. Zudem ist die Finanzierungsbereitschaft der Banken geringer geworden.

Sehr teuer erworbene Grundstücke können nicht mehr bebaut werden, weil die Baukosten die erwarteten Erträge bei Weitem übersteigen. Der Markt für Eigentumswohnungen ist zusammengebrochen und erholt sich nur ganz allmählich; viele Menschen können sich die Wohnungen nicht mehr leisten, zumal auch für sie die Finanzierungskosten deutlich gestiegen sind. Das gilt auch für Gewerbeobjekte. Die Rechnung geht für viele Projektentwickler nicht mehr auf, weil die einkalkulierten Erträge nicht fließen. Viele retten sich deshalb in die Insolvenz in Eigenverwaltung. Das kann befreiend wirken, weil sie sich von Verpflichtungen trennen können. Letztlich kann gerade diese Situation zu marktbelebenden Impulsen führen.

  • Konsolidierung im PE-Markt hält an
  • Belebung bei stabilen oder sinkenden Zinsen
  • Bestandsentwicklung bleibt im Fokus
  • Sinkende Pipeline führt zu höheren Marktchancen von Neubauten

Eingesehen: Nachhaltigkeit und ESG

Bis 2050 soll der europäische Gebäudesektor klimaneutral sein. Hierbei kommt dem Gebäudebereich eine herausragende Stellung zu. Maßnahmen im Sinne der Nachhaltigkeit werden in den nächsten Jahren den Immobilienmarkt spürbar beeinflussen und regulieren. Subsumiert werden die Entwicklungen alle unter dem Schlagwort „ESG“. Die Einbindung von ESG-Kriterien wird zukünftig einer der bestimmenden Faktoren auf dem Markt sein. Gebäude ohne gute energetische Standards werden weiter an Wert verlieren.

In der aktuellen Diskussion rund um ESG geht es häufig um Neubauten. Doch der zentrale Hebel ist der Bestand. Bestandsgebäude müssen in den nächsten Jahren so ertüchtigt werden, dass sie nur noch wenige bis gar keine Emissionen verursachen. Dies soll einerseits mit der Verstromung von Heizungsanlagen (Umstellung auf Wärmepumpen) und damit verbunden dem zusätzlichen Ausbau von grünem Strom in Gebäuden (Solaranlagen) gelingen. Zudem kommt einer grünen Fernwärme eine zentrale Rolle zu. 

Ob eine energetische Sanierung wirtschaftlich leistbar ist, hängt im Gewerbebereich maßgeblich von der Refinanzierung über künftige Mieterträge ab und – dies betrifft mehr noch den Wohnungsbestand – sicherlich auch von Fördermitteln. Dabei ist bei den Unternehmen zunehmend auch eine intrinsische Motivation zu erkennen, stärker auf nachhaltige Entwicklung zu fokussieren. Dies ist nicht nur eine ethische Entscheidung, sondern wird auch von Investoren, Mietern und Regulierungsbehörden immer stärker nachgefragt oder eingefordert. 

Bereits 2023 ergab eine Befragung von 120 Investoren im Auftrag von Patrizia einen klaren Trend zur Wertsteigerung durch aktives Asset Management, mit einem besonderen Schwerpunkt auf Initiativen zur Dekarbonisierung und der Erhebung von ESG-Daten. Längst steht bei den meisten Asset Managern die energetische Ertüchtigung ihrer Bestände ganz oben auf der Agenda; es gilt, Verbrauchs- und Gebäudedaten zu erheben und zu nutzen, mit Mietern zu verhandeln und anstehende Sanierungsvorhaben für eine ESG-gerechte Transformation der Gebäude zu nutzen.

Qualifiziertes Asset Management ist heute und zukünftig unabdingbar, um Investitionsprozesse auf der Grundlage der Taxonomie-Verordnung neu zu gestalten und für Werterhalt zu sorgen. Nur so können Stranded Assets vermieden und Immobilien marktfähig und zukunftsfest entwickelt werden. 

  • ESG beeinflusst Immobilienmärkte enorm
  • Bestand ist der zentrale Hebel auf dem Weg zur Klimaneutralität
  • Wirtschaftlichkeit für Unternehmen entscheidend
  • Aktives Asset Management zukünftig unverzichtbar

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bulwiengesa ist eines der größten unabhängigen Beratungs- und Analyse- und Bewertungsunternehmen für die Immobilienbranche in Deutschland. Zu den Kunden zählen Projektentwickler, Bauträger, institutionelle Investoren, Banken, Kommunen oder Bestandshalter. Die Daten werden u.a. von der Deutschen Bundesbank verwendet.

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Ralf-Peter Koschny
Sprecher des Vorstands
bulwingesa AG


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