Comgest: Aus Nachhaltigkeit Performance machen
Von Thorben Pollitaras, Geschäftsführer Deutschland, Comgest
Mit dem Inkrafttreten der Offenlegungsverordnung beginnt für die Anbieter nachhaltiger Anlageprodukte eine neue Zeitrechnung. Denn nun muss sich zeigen, ob die Versprechen des Marketings auch den Anforderungen der Regulatorik gerecht werden.
Die Zeiten, in denen sich Vermögensverwalter und Fondsgesellschaften mit einem nachhaltigen Investmentansatz ein Alleinstellungsmerkmal erarbeiten konnten, sind passé. ESG ist definitiv zum Mainstream geworden. Allerdings ist die Freude über die wachsende Akzeptanz nachhaltiger Fondsprodukte bzw. Strategien nicht ganz ungetrübt. Denn zum einen ist die Anzahl der Anbieter in den vergangenen Jahren sprunghaft angestiegen, was es schwerer macht, die Merkmale des eigenen Angebots angemessen herauszustellen. Zum anderen folgt die Systematik, etwa der Offenlegungsverordnung, ihren eigenen Definitionen und führt dazu, dass manche Produkte, die bislang mit einem grünen Anstrich vermarktet wurden, zunächst nicht die begehrte Einstufung als Artikel-8- oder 9-Produkte erhalten haben. Der Profilierung als nachhaltige Anbieter sind damit Grenzen gesetzt.
Vermögensverwalter, die Nachhaltigkeit umsetzen, weil sie als Teil ihres Investmentprozesses einen konkreten Mehrwert liefert, sind hier im Vorteil. Sie sind nicht darauf angewiesen, möglichst grün wahrgenommen zu werden; sie sind es einfach.
ESG-native: Qualitätsmerkmal Nachhaltigkeit
Comgest ist beim Thema Nachhaltigkeit extrem gut positioniert. Die Fondsgesellschaft investiert seit der Gründung 1985 konsequent in Qualitätswachstumsaktien. Das sind aus unserer Sicht Unternehmen, die über klare Wettbewerbsvorteile und Preissetzungsmacht verfügen. Ihre Geschäftsmodelle zeichnen sich durch hohe Eintrittsbarrieren für Wettbewerber aus und so sind sie in der Lage, ihre mittelfristigen Erträge unabhängig vom Konjunkturzyklus zu steigern.
Nur Unternehmen, die den hohen Anforderungen der Fondsmanager in ihrer Gesamtheit entsprechen, finden ihren Weg in die Portfolios. Entsprechend sind diese mit 25 bis 50 Aktien sehr konzentriert und weichen mit einem hohen Active Share stark von ihrer jeweiligen Benchmark ab. Seine eigenen Überzeugungen erfolgreich umzusetzen, setzt eine detaillierte Kenntnis der Unternehmen voraus. Entsprechend tiefgehend und langwierig sind die Analyseprozesse bei Comgest: Wie dauerhaft wirtschaftlich ist das Geschäftsmodell, wie stark ist die Wettbewerbsposition und wo liegen mögliche Risiken? Teilweise werden Unternehmen mehrere Jahre beobachtet, bevor investiert wird.
Wir beschreiben uns als „ESG-native“ denn seit über 30 Jahren ist die Berücksichtigung von Umwelt-, Sozial- und Corporate Governance-Aspekten (ESG) ein fester Bestandteil der Qualitätsprüfung. Comgest ist an langfristigen Beziehungen zu den investierten Unternehmen interessiert. Ohne gesellschaftliche Akzeptanz und gegen die Interessen ihrer Stakeholder ist ein dauerhafter wirtschaftlicher Erfolg unserer Überzeugung nach nicht möglich. Wenn ein Unternehmen in die Schlagzeilen gerät, weil es seine Mitarbeiter schlecht behandelt, Zulieferer nicht genügend überwacht oder versucht, seine Steuerlast zu stark zu drücken, kann das nicht nur den Ruf des Unternehmens sehr stark schädigen, sondern sich auch sehr negativ auf die Marke, den Umsatz und letztlich den Aktienkurs auswirken.
ESG-Mehrwert durch eigenes Research heben
Die Corona-Pandemie hat uns bemerkenswerte Einblicke gegeben. Denn wie ein Unternehmen mit Mitarbeitern, Anteilinhabern und Lieferanten, aber auch mit Kunden und Staatshilfen umgegangen ist, sagt unserer Meinung nach sehr viel über die Unternehmenskultur aus – und ist häufig ein Indikator für die künftige Entwicklung. Was wir damit meinen, wird am Beispiel von Orpéa deutlich. Der Anbieter privater Altenpflegeeinrichtungen hat seinen Mitarbeitern mit Beginn der Pandemie zügig Schutzausrüstung besorgt und ihnen darüber hinaus einen Extrabonus gezahlt. Auf diese Weise konnte die Loyalität der Mitarbeiter, der Servicelevel und folgerichtig auch der Ruf als erstklassiger Anbieter erhalten werden. Das wird Orpéa dabei helfen, auch künftig Genehmigungen für den Aufbau weiterer Einrichtungen zu erhalten und damit seinen Marktanteil weiter auszubauen.
Das Beispiel zeigt, dass eine an ESG-Kriterien ausgerichtete Unternehmensführung weit mehr als „nice-to-have“ ist, sondern im Gegenteil zunehmend zu einem wichtigen Bewertungsfaktor abseits von Aktienkursen, Dividenden und Gewinnmargen wird. Es macht aber zugleich deutlich, wie wichtig ein eigenes Research ist, wenn Vermögensverwalter nachhaltige Kriterien in ihren Investmentansatz integrieren. Die gängigen Informationen der meisten Anbieter von Nachhaltigkeitsresearch sind stark kennzahlengetrieben. Damit lassen sich zum Bespiel anhand eigener Ausschlusskriterien eine Vorauswahl treffen oder einzelne Aspekte validieren. Welchen konkreten wirtschaftlichen Nutzen nachhaltiges Handeln bringen kann, erfassen sie hingegen nicht.
ESG als konkretes Bewertungsmerkmal
Aus diesem Grund setzen wir bei Comgest primär auf Inhouse-Research. 2021 haben wir unser ESG-Team auf sechs Mitarbeiter verdoppelt. Ihr Input fließt an unterschiedlichen Stufen in den Investmentprozess ein.
Quelle: Comgest (Stand: 12.05.2021)
Die erste Hürde für Unternehmen bilden unsere Ausschlusskriterien (siehe Graphik). Unternehmen, die dagegen verstoßen, haben von vornherein nur wenig Chancen, in das Anlageuniversum von Comgest aufgenommen zu werden. Dort erfolgt dann eine tiefergehende Analyse: wo liegen Chancen und Risiken, wie ist ein Unternehmen im Wettbewerbsvergleich unter ESG-Aspekten aufgestellt, wo lässt sich die ESG-Performance evtl. durch unser Engagement verbessern? Diese Informationen haben konkreten Einfluss auf die Unternehmensbewertung und werden in die Abzinsungsfaktoren der Cashflows integriert. Ein guter ESG-Wert verringert den Abzinsungsfaktor, ein schwacher Wert erhöht ihn. Gute Unternehmen werden also belohnt.
Quelle: Comgest (Stand: 12.05.2021)
Als aktiver Aktionär suchen wir den konstruktiven, engen Dialog mit unseren Unternehmen. ESG-Themen spielen dabei eine zentrale Rolle. Wenn ein Unternehmen mit unserer Hilfe sein Geschäftsmodell stärker an Nachhaltigkeitskriterien ausrichtet, ist das unter Umständen wirkungsvoller als der Ausschluss.
Der Großteil der Comgest-Fonds wurde im Rahmen der Offenlegungsverordnung als Artikel-8- und BVI „E“ Fonds klassifiziert. Noch eindrucksvoller: Das gilt für über 90 Prozent unserer Publikumsfondsbestände. Damit nutzt die Integration von ESG-Kriterien in unserem Investmentprozess einerseits der Wertentwicklung unserer Fonds, sie wirkt langfristig aber auch positiv auf die Umwelt. Das ist Nachhaltigkeit im doppelten Sinne.
Autor
Thorben Pollitaras ist seit Dezember 2017 Geschäftsführer von Comgest Deutschland. Zuvor war er gut 15 Jahre für die österreichische Fondsgesellschaft Raiffeisen Capital Management tätig. Dort war er für das Deutschland-Geschäft verantwortlich.