Aus einer lebensbedrohlichen Pflanze wird eine Quelle für endlose, saubere Energie
PlantBlue – HomaBay Biogas
Afrika ist das nächste Imperium.
Die Welt braucht ein aktuelles Bild von Afrika: Wie viele Unternehmen in Afrika machen einen jährlichen Umsatz von USD 1 Milliarde oder mehr? Durchschnittlich fällt die Antwort auf etwa 50 Unternehmen. Tatsächlich gibt es in Afrika schon über 400 solcher Unternehmen, die sich zudem als viel profitabler und schneller wachsend herausstellen als globale Ebenbürtige. Afrika hat weltweit mit das schnellste Bevölkerungswachstum. So ist das Wachstum in der Subsahara-Region (2,7 %) mehr als doppelt so stark als das Südasiens (1,2 %) oder gar Lateinamerikas (0,9 %). Dazu liegt das BIP-Wachstum von 3,7 % schon längst über dem von Europa (1,6 %) und wird auch das von Asien ziemlich schnell überholen. Der Altersdurchschnitt beträgt gerade einmal 18 Jahre; davon kann die restliche Welt nur träumen. Ebenso mag es den Anschein erwecken, als wenn Afrika technologisch hinterherhinke. Der Ausbau von Technologie lässt in der Tat noch ziemlich viel Raum, aber gerade deswegen ist es dem jungen Kontinent möglich, neueste Technologien wie Mobile Finance oder 5G viel eifriger und nachhaltiger zu adaptieren als andere. Beispielhaft dafür ist Kenia mit seiner weit ausgebauten 5G-Infrastruktur sowie einer hohen Adaption von Mobile Finance. Banking beginnt bei den Menschen Kenias fast ausschließlich mobil.
All das sind eindeutige und wichtige Indikatoren eines aufstrebenden Kontinents. Es ist ein historisch besonderer Zeitpunkt, an dem sich auch Deutschland und die USA einst befanden, so wie es in jüngster Zeit bei Asien und China war. Jetzt ist die Zeit reif für ganz Afrika, das bald schon die sich am schnellsten urbanisierende Region der Welt sein wird. Das propagierte Kolonialbild Afrikas gehört in ein Museum, denn dieser Kontinent wird unsere Welt schon in naher Zukunft nachhaltig ernähren.
Für einen wahrhaften Impact gilt es jetzt, sich am Anfang des Aufstiegs zu positionieren.
Es soll nicht den Anschein erwecken, als ob es einfach wäre, ein Unternehmen in Afrika zu etablieren. Denn das ist es anfangs nie, weder dort noch vor einigen Jahren in Asien. Der zuverlässige Zugang zu Elektrizität spielt dabei eine wesentliche Rolle. Regionen mit einem mangelhaften Stromnetz sind konstant von Stromausfällen betroffen. Aus diesem Grund ist es für dort ansässige Unternehmen oft unvermeidbar, ein Backup zu betreiben, das meistens Diesel verbraucht und so unmittelbar zu Mehrkosten führt. Der so erzeugte Strom kann drei- bis sechsmal teurer sein als der des nationalen Stromnetzes und ist dazu weder umweltfreundlich noch nachhaltig. Genau wie Venen unseren Körper mit Energie füllen, wird eine Volkswirtschaft durch Elektrizität lebendig. Es ist also höchst notwendig, am Ursprung anzusetzen und so für ein stabiles Stromnetz Sorge zu tragen.
Ein gutes Beispiel dafür sind Länder wie Äthiopien, Nigeria und Kenia. Der dortige Stromverbrauch liegt im Vergleich bei weniger als einem Zehntel des BRIC-Staaten-Durchschnitts. In Mali verbraucht ein normaler Haushalt weniger Strom pro Jahr als ein Londoner täglich zum Zubereiten seines Tees. Südlich der Sahara haben fast 600 Millionen Menschen überhaupt keinen Zugang zu Elektrizität. So müssen diese Gemeinden die Hälfte ihres Lebens in Dunkelheit verbringen.
Die misslichen Zustände sind gleichzeitig ideale Bedingungen, um diese Regionen mittels Impact Investing nachhaltig zu entwickeln. Damit werden nicht nur die Lebensumstände der Menschen verbessert, sondern ganze Gemeinden und Regionen in sich nachhaltig gestärkt. Es bleibt nur die Frage, wer den Impact bewirkt.
Langfristiger Wohlstand bedeutet Fokus auf individuelle Bedürfnisse lokaler Gemeinschaften und Ökosysteme.
Während Thika Way (Thika Way Investment Ltd.) – zusammengesetzt aus deutschen Ingenieuren (Petschow + Thiel Projektmanagement GmbH), sozialer Expertise (Mary Wangui Horst) und finanziellem Know-how (Kabena GmbH) – in Kenia erneuerbare Energie in Form von Wind- und Solarkraft entwickelte, entdeckte das Team eine interessante Gegebenheit. Ein total ebenes, sattes Grün erstreckt sich bis über den Horizont hinaus. Diese scheinbare Wiese im gigantischen Ausmaß ist der Viktoriasee – der größte Süßwassersee Afrikas bzw. der zweitgrößte der Welt – überwuchert mit Wasserhyazinthen. Die Auswirkungen dieser grünen Invasion auf das dortige Leben sind fatal. Der See und seine Biodiversität verlieren an Lebenskraft. Damit verschlechtert sich zunehmend auch die Lebensgrundlage der dort lebenden Menschen. In Anbetracht der Größe ist dessen Rettung eine länderübergreifende Mission und Herausforderung zugleich. In jedem Unglück steckt jedoch eine mindestens gleich große Chance. Deshalb hat Thika Way ihre Perspektive von Solar- und Windkraft hin zu Biomasse gewechselt. Was hat es also mit dieser Pflanze auf sich?
Außerhalb ihres natürlichen Habitats, des Amazonasbeckens, gilt diese Pflanze ohne wirklich viele natürliche Fressfeinde als sehr invasiv, weshalb der Handel, Besitz und sonstige Umgang damit auf allen fünf bewohnten Kontinenten verboten ist. Abwasser aus Industrie und Haushalt sowie chemische Düngemittel aus der Agrarwirtschaft werden unbehandelt im See entsorgt und beschleunigen die Ausbreitung der sich ohnehin schon schnell vermehrenden Superpflanze explosionsartig. Der Viktoriasee ist ein Paradebeispiel für eine solche Invasion. Als definierendes Element wirtschaftlicher und sozioökonomischer Systeme beeinflusst der See die Lebensbedingungen nicht nur lokal und regional, sondern auch grenzüberschreitend. So hat die dortige Situation erhebliche Auswirkungen auf das gesamte Klima in Ostafrika. Erstmals ist die Wasserhyazinthe in den frühen 1990er-Jahren im Viktoriasee gesichtet worden und bedeckt derzeit einen wesentlichen Teil der gesamten Wasseroberfläche. Aufgrund von Gezeitenströmungen, Winden und engen Buchten des Winam-Golfs kommen die meisten Wasserhyazinthenmatten an der kenianischen Küste vor, hauptsächlich in den Landkreisen von Homa Bay und Kisumu. Sie entziehen dem See Sauerstoff bzw. verhindern die Synthese neuen Sauerstoffs dadurch, dass Licht vor der Penetration des Wassers blockiert wird. Zudem werden durch den Zerfall toter Pflanzen die zuvor gebundenen Nähr- und Schadstoffe sowie giftige Gase – mitunter auch Treibhausgase – freigesetzt. Der dadurch entstandene CO2 Ausstoß wird jährlich auf einige Millionen Tonnen geschätzt. Es bedeutet die Eutrophierung des Sees und den Rückgang jeglicher Artenvielfalt. Der Kaskadeneffekt zieht Lebensmittelknappheit, Verlust von Arbeitsplätzen und Schifffahrtsaktivitäten sowie größere Präsenz lebensbedrohlicher Krankheiten mit sich, um nur die gravierendsten Effekte zu nennen.
Es ist daher nicht schwierig zu erkennen, dass die Präsenz der Wasserhyazinthe seit mehr als drei Jahrzehnten ein großes Problem für die Region darstellt. Leider haben jegliche Beseitigungsversuche der vergangenen Jahrzehnte kein nennenswertes Ergebnis bewirkt. Das Entsorgen der Pflanzen auf dem Festland bietet keinen nachhaltigen Impact, denn das energetische Potenzial von Biomasse kann im Sinne der Kreislaufwirtschaft genutzt werden.
Perpetuum mobile: Homa Bay Biogas.
Manchmal ist ein Perspektivenwechsel erforderlich, um eine Situation radikal zu verändern und Impact zu bewirken. So erkannte Thika Way das wahre Potenzial der Wasserpflanze in Form von Biogas – die Quelle für nahezu endlose erneuerbare Energie und organischen Dünger. Zudem wird überschüssiges Biogas zum Kochen abgefüllt und genügend Trinkwasser für Arbeitende und Gemeinden aufbereitet, und es werden CO2-Zertifikate zum nachhaltigen Ausgleich des Klimawandels generiert und viele direkte sowie indirekte Arbeitsplätze geschaffen. Das Biogaskraftwerk ist de facto ein ganzheitliches, nachhaltiges System, das die Lebensqualität bei gleichzeitig hohem wirtschaftlichen Erfolg verbessert. Dieser Impact ist der Grundbaustein zur Stabilisierung und Stärkung der lokalen und regionalen Wirtschaft sowie des Ökosystems. Homa Bay Biogas wurde geboren.
Im Gegensatz zu anderen nachhaltigen Energieanlagen wie Solar- und Windkraftwerken erzeugt dieses auf Biogas basierende Kraftwerk nachhaltige Grundlastenergie durch Biomasse. Es ist daher unabhängig von Wetterbedingungen sowie umweltbelastenden Anlagen zur Speicherung überschüssiger Energie, wie etwa Batteriedepots. Saubere Energie ist rund um die Uhr verfügbar und wird konstant in das nationale Stromnetz eingespeist. Zudem kann das System durch die modulare Beschaffenheit in diversen Regionen der Welt Impact induzieren.
Zur zeitgemäßen nachhaltigen Unterstützung der Regierungsinitiative „Kenya Vision 2030“ sowie den selbst gesetzten Zielen kenianischer Landkreise wird Biomasse rein aus Abfällen verwendet. Für gewöhnlich werden Lebensmittel wie Mais mit der Herstellung von Biogas in Verbindung gebracht, was oft zu moralischer Dissonanz führt und gegenüber einer teils hungernden Welt nicht vertretbar ist. Die Wasserhyazinthe ist jedoch eine Pest und kann, zusammen mit einigen weiteren biologischen Abfällen, Kenia zum regionalen Führungsland in erneuerbarer Energie mittels Biogas machen und damit einen ersten Schritt in die nachhaltige Kreislaufwirtschaft durch wahren Impact bedeuten.
Aus der verbliebenen Biomasse – dem Gärrest – entsteht hochwertiger organischer Dünger. Dieser wird lokalen Landwirten zur Verfügung gestellt, damit so die Erträge steigen und Ackerland entlastet wird. Organischer Dünger ist derzeit der einzig effiziente Weg, erodiertes Ackerland zu heilen und wieder fruchtbar zu machen. Durch diesen Impact werden Feuchtgebiete rund um den Viktoriasee wiederhergestellt, die als natürliche Filter zum Schutz vor künstlich verursachter Verschmutzung fungieren. Die Rückführung von Flüssigkeitsrückständen innerhalb des Fermentationsprozesses vervollständigt den ökologisch nachhaltigen Kreislauf der Anlage.
Der Masterplan, um alle 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung der Vereinigten Nationen mehrfach zu erfüllen.
Nachdem die Zahlen und die Technik stimmten, dachte das Team über die wirklich wahren Dinge im Leben nach, die am meisten zählen – den Impact. Um ein solch diverses und dynamisches Thema zu quantifizieren, wurde die geeignetste Messung zur Hand genommen: die 17 SDG (Sustainable Development Goals; deutsch: Ziele für nachhaltige Entwicklung) der Vereinten Nationen.
Das UNIDO-Büro für Investitions- und Technologieförderung (ITPO – Investment and Technology Promotion Office) in Deutschland unterstützt Investoren und Unternehmen bei der Förderung des Technologietransfers aus Deutschland in Entwicklungs- und Schwellenländer. Agrarwirtschaft und nachhaltige Energieversorgung sind die Hauptbereiche ihrer Arbeit.
Sie unterstützen Homa Bay Biogas und bestätigen es als integrativen sowie nachhaltig industriellen und landwirtschaftlichen Beitrag zur Entwicklung. Darüber hinaus sieht UNIDO Homa Bay Biogas im Einklang mit allen SDGs und erklärt es als mehrgleisiges Impact Investment in Kenia.
Während die 17 Ziele hauptsächlich in soziale und ökologische Bereiche unterteilt werden können, sind die Umweltauswirkungen von Homa Bay Biogas relativ einfach zu erkennen: Entlastung des Wasserhyazinthenbefalls des Sees, wodurch der Gehalt an gelöstem Sauerstoff erhöht wird und letztlich Biodiversität und Ökosphäre wiederhergestellt werden. Weniger Wasserhyazinthen im See bedeutet gleichzeitig auch deutlich weniger ausgestoßene Treibhausgase und das am Beispiel von CO2 in einem Umfang von Hunderttausenden von Tonnen. Weiterhin wird das Unkraut zur wertvollen Quelle für unter anderem saubere Energie sowie organischen Dünger, während unser Planet dekarbonisiert wird.
Die sozialen Veränderungen sind beim Impact Investing ebenso wichtig. Beispielhaft dafür ist die Gleichstellung der Geschlechter, die Förderung qualitativ hochwertiger Bildung, einfach die Verbesserung von Lebensgrundlage und Wohlstand im Allgemeinen. Das Auftreten und die enorme Ausbreitung der Wasserhyazinthe führten bei vielen Menschen zu Arbeitslosigkeit. Direkte Arbeitsplätze wie Fischer, Reedereien und Transportunternehmen sowie indirekt abhängige Arbeitsplätze verschwanden und ließen sehr viele Menschen ohne Einkommen zurück. Die diversen Beschäftigungsmöglichkeiten bei Homa Bay Biogas geben diesen Menschen wieder eine Perspektive. Die Arbeit im Werk ist sehr vielfältig und bietet deshalb Funktionen und Arbeitsbereiche, die unabhängig von körperlicher Stärke auch für Frauen zugänglich sind. Schlüsselpositionen sowie Vertretungen des Unternehmens und des Projekts, wie Gemeinde-, Verwaltungs- und Beschaffungsmanagement, werden an jedem Projektstandort auch von Frauen besetzt sein, da die Qualifikation dafür durch allgemeine und berufliche Bildung erreicht wird. Sofern die Qualifikation weiblicher Kandidaten der der männlichen gleicht, werden führende Positionen sogar vorrangig an Frauen vergeben. Natürlich verdienen alle in vergleichbaren Arbeitsbereichen den gleichen Lohn und haben gleiches Stimmrecht.
Das Projekt ist das erste seiner Art, das moderne und erprobte Technologie allerhöchsten Standards innerhalb der Anwendung im Biogassektor kombiniert. Kernaufgabe ist der Transfer von Technologie aus Deutschland nach Kenia und weitere Länder sowie das Management komplexer biologischer Prozesse unter unterschiedlichen klimatischen Gegebenheiten. Dabei ist die Zusammenarbeit mit lokalen Bildungseinrichtungen wie Hochschulen und Universitäten von ausschlaggebender Bedeutung. Sie ermöglicht den Wissenstransfer von Praxis und Theorie der Anlage, einschließlich der nachhaltigen und ordnungsgemäßen Anwendung von organischem Dünger. Die Qualität des Know-how-Transfers wird durch die Teilnahme eines renommierten deutschen Forschungszentrums für Biomasse getragen. Die Institution ist im Biogassektor besonders erfahren und widmet sich speziell der Förderung von Entwicklungsländern.
Jede dieser Regionen hat somit die Möglichkeit, führend in moderner, nachhaltiger Infrastruktur sowie starker Partnerschaft mit Nachbarländern zu werden, um auch die Wettbewerbsfähigkeit auf den globalen Exportmärkten zu gewährleisten. Anderen Unternehmen wird es so gleichzeitig ermöglicht, in die Märkte solcher Entwicklungs- und Schwellenländer zu gelangen und weiteren Einsatz neuester Technologie zu fördern.
Weltweite Möglichkeiten, Länder im Einklang mit der Natur zu entwickeln.
Obgleich die Situation am Viktoriasee ein anschauliches Beispiel darstellt, ist die Wasserhyazintheninvasion ein weltweites Problem aller fünf bewohnten Kontinente. Sämtliche Süßwassergewässer innerhalb tropischer und subtropischer Klimazonen sind den Wasserhyazinthen ausgesetzt, wenn sie nicht bereits davon befallen sind. Dank dem modularen System sowie dem praktischen Know-how des Teams, Biogas unter diversen klimatischen Bedingungen effektiv zu erzeugen, können solche Anlagen in den verschiedensten Regionen etabliert und an individuelle Bedürfnisse angepasst werden. So wird nicht nur die Problematik der Wasserhyazinthe gelöst, sondern es werden viele unschätzbare Werte generiert. Vom Viktoriasee als Epizentrum aus wird bereits eine Kettenreaktion der Genesung ausgelöst, die weitreichende Auswirkungen auf die Tierwelt und die Wirtschaft Kenias, Tansanias, Ugandas, Ruandas, Burundis und weiterer Länder entlang der Flüsse des gigantischen Sees haben wird. Nach 7 Jahren Entwicklung und Investment vor Ort wird der Bau 2021/2022 beginnen. Homa Bay Biogas ist das Masterpiece und wird nachfolgend auch bei den Nachbarn Kenias und daraufhin weltweit mehr natürliche, nachhaltige Lebensqualität sowie erheblich bedeutsamen Impact schaffen können.
Dies ist ein Artikel von:
MARCEL WROBLEWSKI, Head of
Communications Kabena GmbH
Dies ist ein Artikel aus dem aktuellen FINANCIAL PLANNING Magazin. Hier geht es zur aktuellen Ausgabe: