Künstliche Intelligenz: Die Zukunft des Asset Managements?
Interview mit Dr. DANIEL WILLMANN, Mitgründer und Managing Partner der Othoz Capital GmbH
In der Fondsbranche gibt es diverse Anbieter, die in ihren Anlageentscheidungsprozessen Künstliche Intelligenz (KI) einsetzen. Das Angebot nimmt stetig zu. Im Gespräch erläutert Dr. Daniel Willmann, Managing Partner der Othoz GmbH, signifikante Unterschiede sowie die eigene Herangehensweise und blickt in die Zukunft.
Seit 2017 entwickeln Sie mit der Othoz GmbH KI-basierte Anlagelösungen. Was sollten interessierte Anleger bei solchen Strategien beachten?
Investoren müssen hinter die Fassade schauen und kritisch differenzieren, inwiefern und in welchem Umfang KI im Investmentprozess eingesetzt wird oder nur als Buzzword für Marketingzwecke dient. In unseren Augen ist der Einsatz von KI im Portfoliomanagement ein hochinteressantes und zukunftsweisendes Feld, mit dem aktuell verschiedene Produktanbieter werben, aber nur wenige ernstzunehmende inhaltliche Auseinandersetzung betreiben. Investoren sollten auf Unternehmen setzen, die über ein entsprechend spezialisiertes Team verfügen, das in die weltweite Wissensentwicklung auf dem Gebiet der Künstlichen Intelligenz eingebettet ist. Das kann unserer Meinung nach nicht von ein oder zwei Personen auf Seite des Asset Managers geleistet werden.
Da schließt sich natürlich die Frage an, wie Sie bei Othoz aufgestellt sind?
Technologie isoliert ist kein Allheilmittel, sondern sie muss sinnvoll mit den Best Practices des quantitativen Asset Managements verknüpft werden, um einen nachhaltigen Mehrwert für Anleger generieren zu können. Darauf basierend entwickelt Othoz Anlagestrategien aus der Symbiose von quantitativen Kapitalmarktmodellen und maschinellem Lernen. Mit unserem 15-köpfigen interdisziplinären Team aus den Bereichen Finance, Computer und Data Science sowie Mathematik, Physik und Neurowissenschaften gehören wir hierbei zu den größten bankenunabhängigen Anbietern.
Stichwort Kapitalanlage: Welche Potenziale der KI sehen Sie hier?
Zum einen können KI-basierte Auswertungen diskretionäre Fondsmanager bei ihrer Entscheidungsfindung unterstützen, zum anderen führt der beherrschte Einsatz von KI zu einer Evolution im quantitativen Portfoliomanagement. Maschinelles Lernen ermöglicht es uns, hypothesenfrei mehr Einflussgrößen zu analysieren, deren Interdependenzen schärfer zu erkennen und aus dem Datenrauschen der Finanzmärkte präziser Informationen zu generieren – bis hin zum frühzeitigen Erkennen marktrelevanter Strukturveränderungen.
Und wo sind die Vorteile beim Ansatz von Othoz wiederzufinden?
In der KI-Infrastruktur von Othoz sind rigoros trainierte Machine Learning-Algorithmen im Einsatz, die in holistischen Modellen aus makroökonomischen und fundamentalen Einflussgrößen sowie den Preisbewegungen am Kapitalmarkt strukturiert und emotionslos Selektions- und Allokationssignale generieren. Pro Aktienuniversum stehen mehrere Millionen systematisch aufbereitete Datenpunkte für die ganzheitliche Analyse zur Verfügung. Um aus dieser Datenmenge entscheidungsrelevante Erkenntnisse generieren zu können, benötigt es eine performante Speicher- und Recheninfrastruktur.
Blicken wir in die Praxis. Sie setzen Ihren Ansatz auf Fondsebene unter anderem beim ART AI EURO Balanced um – können Sie hierzu einen Einblick geben?
Der Anlageprozess des ART AI EURO Balanced basiert auf einem von Othoz entwickelten Machine Learning-Modell zur Aktienauswahl. Dieses verknüpft eigene Forschung im Bereich des maschinellen Lernens aus großen Datenmengen und die rigorose Anwendung statistischer Verfahren mit etablierter Kapitalmarktforschung. Unsere Algorithmen analysieren bewertungsrelevante Daten kontinuierlich und detailliert. Dadurch erfassen wir nicht-lineare und hochkomplexe Zusammenhänge in unserem Entscheidungsprozess. Dem ART AI EURO Balanced liegt eine defensive Strategie zu Grunde, die auch in Niedrigzinsphasen stabile, positive Renditen bei einem im Vergleich zum Aktienmarkt reduzierten Verlustrisiko erzielen soll. Um dies in jedem Marktumfeld bestmöglich zu gewährleisten, wird der Investitionsgrad des Fonds durch die Auswahl europäischer Aktien und Anleihen flexibel zwischen 0 Prozent und 50 Prozent gesteuert. Die Aktienselektion erfolgt innerhalb der EUR-denominierten Titel des STOXX Europe 600 Universums, die verbleibende Liquidität wird in Euro-denominierte Investment Grade-Anleihen investiert.
Haben Sie ein paar Zahlen dazu parat, wie die flexible Steuerung der Aktienquote funktioniert?
Ein prägnantes Beispiel hierfür ist die Höhe des Aktienexposures während der ersten Welle der Corona-Krise. Nach dem sequenziellen Aufbau des Portfolios lag die Aktienquote des ART AI EURO Balanced Ende Dezember 2019 bei 45,16 Prozent. Seit Anfang 2020 zeichnete sich ein klarer, hauptsächlich makroökonomisch getriebener Trend ab. Infolgedessen reduzierte das dem Fonds zugrunde liegende KI-Modell die Aktienquote im ersten Quartal 2020 kontinuierlich und konsequent – von 19,67 Prozent Ende Januar auf 2,69 Prozent Ende März. Im Verlauf dieses Risiko reduzierenden Anpassungsprozesses blieben hauptsächlich Aktien aus defensiveren Sektoren im Portfolio. Aufgrund der effektiven Steuerung des Aktienengagements konnte der Fonds die außergewöhnlich hohen Volatilitäten und massiven Kurseinbrüche infolge der Corona-Pandemie wirksam abfedern. In den folgenden Monaten, in denen wieder etwas Zuversicht an den Märkten aufkeimte, kam es zu einem sequenziellen Anstieg der Quote auf 42,62 Prozent Ende Juni. Der ART AI EURO Balanced konnte den Verwerfungen trotzen und erwies sich mit einem maximalen Drawdown von lediglich 2,62 Prozent als robuste Anlagelösung in volatilen Zeiten.
Sehr interessant. Am Ende noch ein kurzer Blick nach vorne. Werden Fondsmanager zukünftig ersetzt durch künstliche Intelligenz?
Die gewinnbringende Kombination von Mensch und Maschine birgt große Chancen für sämtliche Teilbereiche des aktiven Asset Managements. Neben dem Einsatz von KI-gesteuerten Investmentstrategien können KI-basierte Auswertungen auch diskretionäre Fondsmanager bei ihrer Entscheidungsfindung unterstützen. Beispielsweise durch das systematische Screening großer Aktienuniversen bzw. die Vorselektion attraktiver Titel für den Fondsmanager.
Über Dr. Daniel Willmann:
Mitgründer und Managing Partner der Othoz Capital GmbH
Dies ist ein Artikel aus unserem FINANCIAL PLANNING Magazin. Hier geht es zu der aktuellen Ausgabe: