Die Güterstandsschaukel – Mythos und Gestaltungsinstrument
nfep-Expertengespräch
Im Interview: Stefan Skulesch
Herr Skulesch, was überwiegt in Ihrer Praxis: Mandanten, die mit dem konkreten Beratungsanliegen Güterstandsschaukel zu Ihnen kommen, oder solche, die Sie auf das Gestaltungselement hinweisen, ohne dass sie jemals davon gehört haben?
Nach meiner Erfahrung hält sich das tatsächlich die Waage. Eine Reihe von Mandanten sprechen mich auf das Thema an, weil sie entweder von ihrem Steuerberater auf das Thema aufmerksam gemacht wurden oder auf sonstigem Wege schon mal etwas – terminologisch nicht ganz korrekt – von einer „Zugewinnschaukel“ oder „Eheschaukel“ gehört haben. Wieder andere spreche ich direkt auf das Gestaltungselement an und ernte dabei Reaktionen wie „Was ist das denn Merkwürdiges?“ oder „An welchem Ende der Schaukel stehen Sie denn?“.
Wie lässt sich eine Güterstandsschaukel in wenigen Sätzen einfach verständlich beschreiben?
Bei einer Güterstandsschaukel wechseln Eheleute mittels Ehevertrag von der Zugewinngemeinschaft in die Gütertrennung und anschließend wieder zurück in die Zugewinngemeinschaft.
Das klingt sehr unkompliziert. Was genau soll dies bewirken?
Die Effekte sind in der Tat zahlreich. Mit der Beendigung des Güterstands der Zugewinngemeinschaft entsteht ein Zugewinnausgleichsanspruch des Ehegatten mit dem niedrigeren Zugewinn. Im Prinzip sind die Rechtsfolgen relativ ähnlich wie bei einem Zugewinnausgleich aufgrund von Scheidung: Bei beiden Ehegatten wird das Anfangsvermögen ermittelt, das heißt das jeweilige Vermögen zu Beginn der Ehe. Ebenso wird das individuelle Vermögen der Ehegatten bei Beendigung der Zugewinngemeinschaft ermittelt. Rechnerisch hat dann üblicherweise einer der Ehegatten einen höheren Zugewinn erzielt, der dann auszugleichen ist.
Und warum ist dieser Zugewinnausgleich ein Gestaltungsinstrument?
Das kann aus verschiedenen Gründen sinnvoll sein. Zunächst muss man vorausschicken, dass der Zugewinnausgleich erbschafts- und schenkungssteuerbefreit ist. Dies ist völlig unabhängig davon, ob die Beendigung der Zugewinngemeinschaft aufgrund von Scheidung oder Todesfall erfolgt. Es macht auch keinen Unterschied, ob der Zugewinnausgleich aufgrund einer tatsächlichen Beendigung der Ehe erfolgt oder weil die Ehepartner ihrer Ehe lediglich einen anderen rechtlichen Rahmen geben. Genau diese schenkungssteuerliche Privilegierung öffnet nun den Rahmen, Ehegatten eine deutliche Vermögensumschichtung zu ermöglichen. Anders gesagt: Auf Grundlage der Güterstandsschaukel können Eheleute untereinander Vermögen umverteilen, was ansonsten nur unter Verbrauch der schenkungssteuerlichen Freibeträge möglich wäre.
Wann ist eine solche Umverteilung denn sinnvoll? Dient sie nicht in erster Linie der Aufrechterhaltung des „ehelichen Friedens“?
Ich hoffe, dass der „eheliche Frieden“ nicht in erster Linie auf einer gleichmäßigen Vermögensverteilung beruht … Aber ernsthaft: Wenn das Vermögen in erster Linie bei einem Ehegatten verankert ist, dann kann dies aus erb- und schenkungssteuerlicher Sicht große Nachteile haben. Ein Beispiel: Ist der Ehegatte mit dem niedrigen Vermögen der Erstversterbende, dann kann es leicht der Fall sein, dass die erbschaftssteuerlichen Freibeträge nicht genutzt werden können. Bei 400.000 EUR pro Kind und Elternteil kann dies durchaus ins Gewicht fallen. Aber man muss gar nicht erst auf den Todesfall schauen: Wenn die Ehegatten bereits zu Lebzeiten über die vorweggenommene Erbfolge Vermögen auf die nächste Generation übertragen wollen, dann kann der 400.000-EUR-Freibetrag alle zehn Jahre genutzt werden. Wenn aber das Vermögen nur einem Ehegatten zuzurechnen ist, geht dadurch schenkungssteuerliches Potenzial verloren.
Heißt „Zugewinngemeinschaft“ nicht, dass das eheliche Vermögen ohnehin beiden gemeinsam zuzurechnen ist?
Genau diese Fehlvorstellung herrscht nach meiner Erfahrung in den meisten Ehen. Die rechtliche Realität ist leider eine andere. Die Zugewinngemeinschaft unterscheidet sich nicht furchtbar viel von der Gütertrennung. Auch in der Gütertrennung hat jeder Ehegatte sein eigenes Vermögen. Steht nur ein Ehegatte als Eigentümer einer Immobilie im Grundbuch, ist diese Immobilie auch allein ihm zuzurechnen. Der wesentliche Unterschied zur Gütertrennung ist im Grunde nur, dass Vermögensmehrungen während der Ehe bei Beendigung der Ehe auszugleichen sind. Wenn aber beide Ehegatten Schenkungen gegenüber Kindern vornehmen, hat juristisch nur derjenige die Schenkung vorgenommen, von dessen Konto die Zuwendung stammt.
Die Realität ist aber auch, dass ein Großteil von Ehegatten gemeinschaftliche Konten unterhält.
Richtig und aus steuerrechtlicher Sicht ein eher unerfreulicher Zustand … Um es klar zu sagen: Nicht jede Einzahlung auf ein Gemeinschaftskonto ist bereits ein schenkungssteuerlicher Tatbestand. Wenn aber das Konto oder Depot dem gemeinsamen Vermögensaufbau dient und auch beide Ehegatten davon profitieren, zum Beispiel Verfügungen oder Abbuchungen vornehmen, dann ist man einer Schenkung schon sehr nahe. Der Freibetrag von 500.000 EUR alle zehn Jahre gibt zwar einen gewissen Schutz, aber auch nur in diesem Rahmen. Wenn dann beispielsweise noch beide Ehegatten eine fremdvermietete Immobilie kaufen, aber die Tilgung und die Zinsen nur von einem der beiden übernommen werden, wird es auch mit dem Freibetrag irgendwann eng.
Kann die Güterstandsschaukel hier ebenfalls Abhilfe schaffen?
Im Prinzip: ja. Mit der Beendigung der Zugewinngemeinschaft entsteht ein Ausgleichsanspruch, der auf vielerlei Art und Weise erfüllt werden kann. Dazu gehört auch die Übertragung von Immobilien oder Wertpapieren, aber eben auch die Verrechnung mit Zuwendungen in der Vergangenheit. Der Vorteil: Durch die Verrechnung entfallen steuerhinterziehungsrelevante Fragestellungen, wobei aber nach einer Finanzgerichtsentscheidung möglicherweise immer noch Steuerhinterziehungszinsen drohen. Wird der Anspruch übrigens durch die Übertragung von Immobilien oder Wertpapieren getilgt, rate ich zur Vorsicht. Steuertechnisch handelt es sich dabei um Veräußerungstatbestände, für die die allgemeinen Steuerregelungen gelten. Fremdvermietete Immobilien sollten daher nur übertragen werden, wenn die Zehnjahresfrist seit Anschaffung überschritten ist, und mit der Übertragung wird eine neue Zehnjahresfrist in Gang gesetzt.
Und Immobilien, die man selbst bewohnt?
Würde ich eher ausklammern. Das Familienwohnheim kann auch schon zu Lebzeiten ganz oder teilweise steuerfrei übertragen werden. Übrigens ohne das Erfordernis einer zehnjährigen Behaltensdauer nach Todesfall.
Wenn wir von einer „Schaukel“ sprechen: Warum sollte man die Gütertrennung nicht dauerhaft beibehalten? Und sollte man vor einem Wechsel zurück in die Zugewinngemeinschaft nicht eine gewisse „Schamfrist“ beachten?
Die Gütertrennung halte ich mittlerweile für eine eher problematische Güterstandswahl. Erbrechtlich erhöhe ich damit die Pflichtteilsquoten der Abkömmlinge. Erbschaftsteuerlich nehme ich mir damit die Möglichkeit einer erneuten Steuerfreiheit des steuerfreien Zugewinnausgleichs, der nach dem „Zurückschaukeln“ entsteht. Die „Schamfrist“ ist aus meiner Sicht unproblematisch. Der BFH hat die Güterstandsschaukel sogar dann als zulässig bezeichnet, wenn der Wechsel vom Zugewinn in die Gütertrennung und zurück in einer einzigen Urkunde erfolgt. Zivilrechtlich halte ich den sofortigen Wechsel zurück sogar für zwingend. Wenn die Absicht besteht, wieder in den Zugewinn zu wechseln, ohne dass dieser wesentliche Vertragsbestandteil mitbeurkundet wird, droht meines Erachtens sogar die Unwirksamkeit der gesamten Konstruktion. Mal abgesehen davon, dass die Kosten von zwei separaten Urkunden ungleich höher wären. Dennoch würde ich bei einem Wechsel zurück in der gleichen Urkunde eine Schamfrist von drei bis sechs Monaten vorsehen, bis die Zugewinngemeinschaft wieder in Kraft treten soll.
Weshalb?
Wie gesagt: Steuerlich spricht nichts dagegen. Die Güterstandsschaukel kann aber möglicherweise auch aus pflichtteilsrechtlichen Gründen attraktiv sein. Gerade bei Patchworkkonstellationen kann es neben der steuerlichen Optimierung noch ein erfreulicher Nebeneffekt sein, das Vermögen des Ehegatten mit erstehelichen Kindern und damit die Bemessungsgrundlage für den Pflichtteil zu reduzieren. Ist das der Hauptzweck der Konstruktion, ist das offensichtlich unwirksam. Wenn es aber nur eine Begleiterscheinung ist, dann könnte die „Schamfrist“ dazu beitragen, dass die Güterstandsschaukel auch „pflichtteilsfest“ ist. Dies jedoch ohne Garantie – nach meiner Kenntnis gibt es dazu noch kein höchstrichterliches Urteil.
Sie hatten die Nachteile der Gütertrennung erwähnt. Gerade langjährig verheiratete Ehepaare haben oft zu Beginn ihrer Ehe eine Gütertrennung vereinbart. Lässt sich dies nachträglich „beheben“?
Zivilrechtlich ist das möglich, steuerrechtlich aber nicht. Mit anderen Worten: Selbst wenn ich mit Wirkung ab Beginn der Ehe wieder die Zugewinngemeinschaft vereinbare, kann ich einen etwaigen Zugewinn nicht erbschaftssteuerfrei stellen. Dennoch wäre meine Empfehlung, mit Rückwirkung wieder in den Zugewinn zu wechseln. Man könnte hier über Alternativstrukturen nachdenken. Ein steuerfreier Zugewinnausgleich des Überlebenden und die Geltendmachung des Pflichtteils kann unter Umständen wirtschaftlich günstiger sein als eine Erbenstellung des Überlebenden.
Das Interview führte Maximilian Kleyboldt vom Netzwerk der Finanz- und Erbschaftsplaner e. V.