Die wichtigsten Trends für Finanzplaner
Wie kaum eine andere Branche durchläuft der Finanzsektor seit Jahren einen beeindruckenden Wandel.
Die Dynamik, mit der sich Kundenbedürfnisse verändern, erfordert von den Marktteilnehmern, dass sie ihre Produkte und Dienstleistungen neu denken. Viele Menschen wollen ihre Bankgeschäfte heute ortsunabhängig und personalisiert vornehmen. Unsere Erwartungen haben durch den Einfluss von Amazon, Netflix & Co. auf unseren Alltag einen 180-Grad-Wandel durchlaufen.
Um mit der Schnelllebigkeit von Trends mitzuhalten, sind Finanzdienstleister mehr denn je gehalten, in innovative Technologien zu investieren und neue Trends frühzeitig zu erkennen. Ansonsten droht der Verlust von Kunden und Kunden und wertvollen Marktanteilen an die Konkurrenz, schreibt Martin Klatt, Co-Founder Beyond Saving, in der Ausgabe 04/2020 des FINANCIAL PLANNING Magazin.
Fintechs setzen traditionelle Player unter Druck
Knapp 900 Fintechs zählte Deutschland Ende des Jahres 2019. Die Investments in den Sektor steigen laut einer comdirect-Studie auf neue Rekordstände. Mit über 70 einschlägigen Start-ups hat sich das Thema Blockchain durch das neue regulatorische Umfeld zu einem beachtlichen Trend entwickelt und genießt aufgrund der zahlreichen Anwendungsfälle große Aufmerksamkeit bei etablierten Finanzdienstleistern.
Fintechs haben aufgrund ihrer strukturellen Vorteile die Möglichkeit, Finanzprodukte deutlich schneller und flexibler an aktuelle Kundenbedürfnisse anzupassen, als andere Anbieter es können. Sie haben durch ihren hohen Grad an Spezialisierung ein gutes Auge für neue Trends und die Entwicklung einer modernen User Experience. Ein Beispiel dafür sind die mobilen Bankinganbieter rund um N26, Revolut und Tomorrow. Aber auch Robo-Advisor beziehungsweise digitale Vermögensverwalter verzeichnen starken Zuwachs.
Besonders bei den Millennials und der Generation Z werden digitale Finanzdienstleistungen immer beliebter. Aber auch bei älteren Zielgruppen hat durch Corona ein Umdenken eingesetzt. Über 75 Prozent der Bankkunden wollen laut einer Studie der Marktforscher von Toluna aus dem Juni 2020 künftig mehr Onlinebankingangebote nutzen.
Chatbots verändern die Kundenkommunikation
Millionen von Stunden werden jährlich darauf verwendet, einfache Kundenanfragen zu bearbeiten. Heute werden bereits von zahlreichen Playern Chatbots genutzt, um diese wertvollen Ressourcen zu schonen und profitabler einzusetzen. Sie werden in bestehende Anwendungen integriert und können beispielsweise als digitale Berater in der App oder auf der Website oder auch in den sozialen Netzwerken genutzt werden, um repetitive Fragen schnell zu beantworten und den Kunden rund um die Uhr mit Rat und Tat zur Seite zu stehen.
Das Ziel von Chatbots liegt nicht darin, den menschlichen Berater zu ersetzen, sondern ihn entlang der gesamten Customer Journey zu unterstützen. Und zwar besonders dann, wenn viele Kunden die gleiche Frage stellen. Das kann zum Beispiel sein:
- Was mache ich, wenn ich meine PIN vergessen habe?
- Wie kann ich meine persönlichen Daten ändern?
- Wie kann ich Überweisungen stornieren?
Der deutsche Mobile-Banking-Anbieter N26 zum Beispiel arbeitet mit dem NLU-Unternehmen Rasa zusammen – wobei NLU für Natural Language Understanding steht –, um die Beantwortung von Kundenanfragen mithilfe von Bots zu ermöglichen. Aktuell werden über 20 Prozent der Anfragen per Bot beantwortet, ohne dass eine manuelle Interaktion notwendig ist. Bei komplexeren Anfragen können Kunden einen menschlichen Berater per Befehl einfach anfordern. Das kann dann jedoch längere Wartezeiten mit sich bringen, da die Servicecenter stark ausgelastet sind.
In den USA ist Conversational Banking deutlich fortgeschrittener als in Deutschland. Die Bank of America hat mit Erica einen der ersten persönlichen Bankingassistenten eingeführt. Die Interaktion kann per Tastatureingabe oder Stimme erfolgen. Mastercard geht den Weg über das soziale Netzwerk Facebook und ermöglicht es seinen Nutzern, dort direkt zu bezahlen.
Conversational Banking und Chatbots bergen großes Entwicklungspotenzial. Gefragt sind innovative Dienstleistungen wie Zahlungsüberweisungen in Echtzeit oder personalisierte Finanzanalysen. Die Bankmitarbeiter werden durch den Einsatz von Bots entlastet. Für den Erfolg des Einsatzes ist die Qualität der Dialogführung entscheidend. Hier sollten Banken keine Kosten scheuen und in die Entwicklung KI-gestützter Systeme investieren, um die Erkennung der Kundenanliegen zu optimieren.
Robo-Advisory setzt Geldanlage auf Autopilot
Über 25 sogenannte Robo-Advisor existieren aktuell in Deutschland. In den vergangenen Jahren ist das von ihnen verwaltete Vermögen stark gewachsen. Schätzungen zufolge liegt es aktuell bei über 5 Milliarden EUR. Bei Kunden werden sie aufgrund der Automatisierung immer beliebter.
Im Vergleich zu den USA haben die hiesigen „Robos“ hierzulande zwar noch nicht die gleiche Bedeutung erreicht – der Trend ist aber positiv. Auch traditionelle Player haben die Entwicklung erkannt und stellen ihren Kunden vermehrt digitale Investmentlösungen bereit. Die anfängliche Skepsis in Bezug auf rein digitale Angebote hat viele Player dazu veranlasst, hybride Modelle anzubieten, bei denen es zu einer Konvergenz zwischen menschlicher Betreuung und digitalen Anlageprozessen kommt.
Die Vorteile von digitalen Vermögensverwaltern liegen auf der Hand. Menschen müssen sich nicht um ihre Geldanlage kümmern, sie läuft quasi auf Autopilot. In Zeiten unsicherer Rentensysteme und niedriger Zinsen ist es wichtig, das Geld nicht einfach auf dem Sparkonto zu parken. Für alle, die keine Lust haben, sich in die Materie „Geldanlage“ einzuarbeiten, bieten diese Player eine sinnvolle Lösung.
Voice Banking – per Stimme zum Bankgeschäft
Schnell mal per Sprachsteuerung ETF-Anteile kaufen oder den aktuellen Kontostand abfragen oder eine Überweisung ausführen – für den ein oder anderen gehört es heute bereits zum Alltag, seine Bankgeschäfte per gesprochener Sprache zu steuern.
Hier zeigt sich der große Einfluss von Big-Techs wie Apple (Siri), Microsoft (Cortana) und Amazon (Alexa) auf Kundenerwartungen. Wer zu Hause seine Musik per Sprachbefehl auswählen kann, möchte das Gleiche auch von seinem Finanzpartner geboten bekommen. Der große Vorteil für den Bankkunden liegt auf der Hand: Voice Banking ist bequem und spart Zeit, da das Einloggen und das lästige Tippen und Scrollen entfallen.
Digitale Sprachsysteme werden künftig eine entscheidende Rolle bei der Erledigung von Bankgeschäften spielen. Bereits heute ist jeder dritte Deutsche mit Sprachassistenten in Berührung gekommen. Eine Studie der Postbank aus dem Jahr 2019 zeigt eindeutig, dass Bankkunden sich eine Integration – etwa in die Banking-Apps – wünschen.
Open API und PSD 2 – mit einem Klick alles auf einen Blick
Die PSD-2-Gesetzgebung hat vielen Fintechs Zugang zu wertvollen Kundendaten ermöglicht. Die Richtlinie sieht vor, dass Banken es Drittanbietern (nach Kundenbestätigung) erlauben müssen, auf Konto- und Zahlungsdaten sicher und in Echtzeit zuzugreifen. Für Fintechs ist diese Entwicklung überaus erfreulich, da sie neue Geschäftsmodelle ermöglicht.
Besonders im Bereich Personal Finance haben sich Kontoaggregationslösungen etabliert. Anbieter wie treefin, die eine Finanzmanagement-App entwickelt haben, ermöglichen ihren Kunden einen umfassenden Überblick auf ihre finanzielle Situation, laufende Verträge, Budgets und Finanzanalysen. Der durchschnittliche Bundesbürger hat Konten bei drei unterschiedlichen Banken. Auf Dauer fällt es Menschen immer schwerer, ihre finanzielle Lage zu verstehen, was nicht selten zu falschen Entscheidungen führt. Aus diesem Grund bieten Finanzmanager die Möglichkeit, alle relevanten Konten an einem Ort zusammenzufassen.
Es ist den meisten nicht bewusst, was die EU-Kommission mit der PSD 2 geschaffen hat. Europa liegt hier ganz vorn. Die ganze Welt schaut zu, wie der Bankensektor – wie früher der Telekomsektor – für den Wettbewerb geöffnet wird und welche Innovationen dadurch entstehen.
Nachhaltigkeit – der Weg ist genauso wichtig wie das Ziel
Nachhaltigkeit ist längst kein Trend mehr. Die Folgen des Klimawandels haben sich in unserem Bewusstsein verankert und verändern unsere Erwartungen an Finanzdienstleister. Unter Privatanlegern ist die Nachfrage nach sogenannten ESG-Investments stark gestiegen. Ein Blick auf die Renditeentwicklung von „nachhaltigen“ und „konventionellen“ Fonds zeigt: Die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien geht nicht zulasten der Rendite. Einziges Problem: Es existieren noch keine standardisierten Kriterien, weshalb das Thema „Greenwashing“ aktuell noch für viel Kritik und Zurückhaltung sorgt. Die EU hat sich jedoch verpflichtet, dem Thema eine größere Bedeutung beizumessen, weshalb spätestens 2021 mit entsprechenden Standards zu rechnen ist.
Im Mobile Banking hat sich mit Tomorrow ein Player am Markt positioniert, der nachhaltiges Banking zur Mission gemacht hat. Der überwiegende Teil seiner Erträge fließt in humanitäre Projekte und in die Aufforstung von Regenwäldern in Südamerika und Asien. Die deutsche Kreditbank (DKB) legt ebenfalls großen Wert auf das Thema Nachhaltigkeit. Natürlich besteht bei diesen Unternehmen auch ein geschäftliches Interesse, doch die positiven Auswirkungen bleiben bestehen. Besonders bei Millennials kommt die neue Zielsetzung gut an.
Tokenisierung – wie eine Technologie Eigentum neu definiert
Nicht nur im Hinblick auf die Nutzung von Finanzdienstleistungen und das Hinterfragen der Nachhaltigkeit von Investitionsentscheidungen erleben wir einen Wandel.
Die Digitalisierung macht es möglich, dass die bisherige Praxis der Verbriefung von Eigentumsrechten vor einer fundamentalen Veränderung steht. Durch den Einsatz der Blockchaintechnologie ist die „Tokenisierung“, also die digitale Abbildung von Vermögenswerten, möglich – und das zu einem Bruchteil der heute üblichen Kosten.
Neben dem bereits bekannten Anwendungsfeld der Kryptowährungen ergeben sich durch den Einsatz der Technologie zahlreiche weitere Use Cases, die Privatanlegern Zugang zu bislang verschlossenen Türen ermöglichen. In Asien wurde 2018 beispielsweise ein Gemälde von Vincent van Gogh tokenisiert und über ein Auktionsverfahren verkauft.
Die digitale Verbriefung ist auch für Anlageklassen wie zum Beispiel Oldtimer oder Immobilien möglich. Ein Investment in diese Assets erforderte bislang einen hohen Kapitaleinsatz und mitunter hohe Lagerungskosten. Doch diese bisher unüberwindbaren Hürden könnten schon bald der Vergangenheit angehören. Auch geografische Grenzen kennt die Technologie nicht. Die Perspektive für Privatanleger: eine breite Diversifikation über alle Anlageklassen hinweg – unabhängig vom Kapitaleinsatz.
Einer Umfrage der Schweizer Privatbank Vontobel zufolge fragen insbesondere vermögende Privatkunden (HNWIs) immer stärker nach der Allokation ihrer Vermögen in Kryptowerte.
Der Mix macht es – individuelle Ansprache und zeitgemäße Kommunikation
All diese Veränderungen bedeuten natürlich nicht, dass der Kunde ganz und gar zum Selbstentscheider wird und persönliche Beratung keine Rolle mehr spielt. Insbesondere bei vermögenden Kunden mit komplexeren Fragestellungen bedarf es immer wieder der Einordnung durch einen kompetenten Ansprechpartner, der die individuelle Finanzsituation versteht und einen ganzheitlichen Blick auf die Finanzen wirft.
Aber: Der Anspruch an die Art und Weise der Kommunikation und die Aufbereitung von Informationen hat sich in den letzten Jahren nachhaltig verändert. Viele Menschen, insbesondere die Vertreter der jüngeren Generation, erwarten in vielerlei Hinsicht einfach mehr von ihrem Finanzpartner als der durchschnittliche Anleger vor 30 Jahren.
Die digitale Verbriefung von Vermögenswerten wird zudem dazu beitragen, dass neue Produkte auf den Markt kommen und viele Dienstleistungen, die heute selbstverständlich sind, nicht mehr benötigt werden. In dem passenden Mix aus einer individuellen Ansprache, einer zeitgemäßen Kommunikation und innovativen Anlagemöglichkeiten wird zukünftig der Schlüssel zum Erfolg für die Akteure in der Finanzbranche liegen.
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