Interview

Gold, Dollar oder Staatsanleihen: Das leisten die Krisenwährungen im turbulenten Börsenjahr 2022

Es fällt in der aktuellen Situation wirklich nicht leicht, über vergleichsweise banal erscheinende Finanzthemen zu sprechen. Dennoch merken wir, dass sich viele Menschen aufgrund der unruhigen Kapitalmärkte Sorgen um ihre Geldanlage machen. Manch Anleger überlegt vor diesem Hintergrund, mit seinem Geld in sogenannte „sichere Häfen“ einzulaufen. Was damit gemeint ist, erläutert Thomas Romig, Head of Multi Asset bei Assenagon Asset Management im Gespräch mit Börsenmoderator Andreas Franik.

Andreas Franik: Danke, für Ihre Zeit Herr Romig. Was ist denn aus ihrer Sicht ein sogenannter „sicherer Hafen“ und kann es an den Finanzmärkten in diesen turbulenten Zeiten überhaupt echte Sicherheit geben?

Thomas Romig: Ja, der sichere Hafen ist weggefallen. Der risikolose Zins ist weg, der ist uns durch die Notenbanken entfleucht. Zusätzlich haben wir auch die Inflation, das heißt es wird jetzt ein relatives Spiel. Es können Gold und der US-Dollar eingesetzt werden. Aktien können als sichere Häfen dienen, aber sollten eher längerfristig gesehen werden. Also Sichern im nominalen Wert, nicht zu stark zu ketten, das ist ein schlechter Rat. Dann kann man auch die Geldscheine daheim im Tresor oder auf dem Girokonto liegen lassen.

Andreas Franik: Und dann haben wir schon wieder die Inflation, aber gucken wir uns die einzelnen sicheren Häfen an. Gold, haben sie schon kurz angesprochen, hat über Jahrtausende funktioniert, wie auch in der aktuellen Krise, es ist deutlich gestiegen. Was macht das Edelmetall zu einem so begehrten Objekt über so lange Zeit?

Thomas Romig: Gerade in der Phase, wo die Werterhaltungsfunktion von vielen Währungen flöten geht – wir kriegen Inflation – kommen Assets, die eine gewisse Begrenztheit haben, wieder stärker ins Spiel. Das ist nicht nur bei Gold so, sondern auch bei realen Werten der Fall. Das Gold kann langfristig den Werterhalt weitgehend sicherstellen, aber man ist nicht am Produktivkapital beteiligt und deswegen bietet sich Gold immer nur als Beimischung an, um in unsicheren Zeiten ein bisschen was zum Festhalten zu haben.

Andreas Franik: Doch der Dollar ist für viele ein sicherer Hafen, auch den haben sie kurz angesprochen. Warum ist das eigentlich so, dass nahezu reflexartig viele Investoren in Krisen und Kriegszeiten immer in den Greenback reingehen?

Thomas Romig: Ja, das ist gerade jetzt eine spannende Zeit, im Lichte der Sanktionen mit Russland und Ukraine. Das könnte wirklich ein game changer sein, denn bisher ist der US-Dollar die Weltwährung, die wurde in den 70-er Jahren mehr oder weniger dazu erkoren. Wenn man einzelne Länder aus dem Währungssystem praktisch rausschmeißt, muss man sich das nicht nur die anschauen, die aus dem Währungssystem rausgeschmissen worden sind, sondern auch andere die hier ihre Schlüsse ziehen. Das heißt, bisher war der US-Dollar immer in Krisenzeiten ein Ort des Rückzugs, weil es eben die Verrechnungswährung ist, wenn Investitionen aus den emerging markets/small caps herausgezogen wurden. Das wird eine der interessantesten Fragen der nächsten zwei, drei Jahre sein, dann wird sich das diversifizieren. Wenn wir auch die Krisen der letzten Jahre anschauen, wie die Corona-Krise, da hat ungefähr der Dollar fünf, sechs Prozent gegenüber dem Euro gemacht. Jetzt in der Ukraine-Krise drei, vier Prozent. Das ist schon eine Entwicklung, aber nicht mehr so extrem wie in früheren Krisen. Also auch da muss man die Lage beobachten und es gilt auch bei den sicheren Häfen zu diversifizieren und um dann klaren Durchblick zu haben.

Andreas Franik: Weil Sie diversifizieren ansprechen, das geht natürlich auch über Währungen. Der ein oder andere sagt sich: „Dann nehme ich doch den neutralen Schweizer Franken.“ Oder zum Beispiel die eher rohstoffbasierte Norweger Krone. Ist es für Sie ein Weg, um sich auch währungstechnisch breiter aufzustellen und ist das für Sie auch eine Krisenwährung?

Thomas Romig: Die norwegische Krone ist natürlich immer rohstoffabhängig, aber man darf nicht unterschätzen, welche Volatilitäten, welche Schwankungen da entstehen. Da haben sich viele auch die Augen gerieben, die in der Euro-Krise aus der europäischen Währung geflüchtet sind, weil es Kursrückgänge von 20 bis 30 Prozent. Ich bin nicht unbedingt der Fan in verschiedene Währungssysteme aktiv reinzugehen, sondern eher wenn man Chancen in den jeweiligen Regionen hat, die Bewertung durchzuführen, ob man bei Währung letztendlich bleibt. Also ich würde immer den Blick behalten gerade als Euro Investor, was die meisten unserer Zuschauer wahrscheinlich sind. Also dort den Blick haben und nicht alles in den US-Dollar oder alles in die Fremdwährung letztendlich zu packen. Natürlich ist es beängstigend, wie man aktuell sieht, wie der Euro geschwächt werden könnte, aber nun muss daran denken, dass diese Währungsschwankungen sind relative Spiele und insgesamt rechnen wir mit einer gewissen Abschwächung, denn wenn der Schweizer Franken zu stark wird, ist das nicht gut für die Schweizer Wirtschaft und Notenbank. Das heißt dort werden dann sicherlich auch Maßnahmen ergriffen. Es ist die Möglichkeiten ein bisschen zu diversifizieren, aber ich würde nicht 100 Prozent daraufsetzen.

Andreas Franik: Dann bleiben noch die Staatsanleihen, die waren auch traditionell immer gefragt in Krisenzeiten, Herr Romig, aber taugen die in Zeiten von Negativzinsen überhaupt?

Thomas Romig: Wenn sie in unserem Portfolio schauen, werden sie ganz ganz wenige Staatsanleihen finden. Das heißt aktuell aus Eurosicht, die Zinsen sind ein bisschen jetzt gestiegen, dass wir im positiven Terrain bei deutschen Zehnjährigen wir im positiven Bereich angelangt sind, aber trotzdem immer noch im Niedrigzinsszenario. Ob das jetzt null, 0,25 oder 0,5 Prozent sind. Selbst wenn wir bei einem Prozent sind ist das immer noch ein niedriges Niveau, um sich für zehn Jahre praktisch das Geld aus der Hand nehmen zu lassen. Das heißt für uns sind aktuell Staatsanleihen nur in ganz schwierigen Phasen ein Investment. Meistens dann außerhalb des Euroraums, weil gehen wir dann eher in „sichere Staatsanleihen“, die in höheren Nominalzinssatz bieten. Das bietet sich dann eher bei US-Staatsanleihen an oder bei anderen größeren Emittenten. Da sollte der ein oder andere vielleicht auch über chinesische Staatsanleihen nachdenken.

Andreas Franik: Dann bleibt mir nur noch die Frage, wir haben schon viele Details gehört von Ihnen, zu den einzelnen Krisenwährungen, wie sie sich insgesamt im Frühjahr des Jahres 2022 mit ihren Fonds aufstellen. Gehören Sie eher zu den defensiven Investoren oder zu den offensiven Investoren. Wie stellen sie sich auf?

Thomas Romig: Wir sind aktuell eher auf das Szenario eingestellt, dass wir die Ukrainekrise überwinden. Wir hoffen nicht nur aus humanitären Gründen, sondern auch für das Weltwirtschaftswachstum, dass sich dieser Konflikt bald löst. Wenn Sie sich alle direkten und indirekten Beteiligten anschauen, ob das China ist, Russland, Ukraine, die EU, die Amerikaner alle sind eigentlich darauf fokussiert, Gefahren, die davon ausgehen, nicht nur die menschlichen, sondern auch die wirtschaftlichen, möglichst zu begrenzen. Darauf setzen wir zum Teil. Wir haben unsere Aktienquoten in einem offensiveren Bereich geführt. Wir sind bei Unternehmensanleihen noch ein bisschen zurückhaltend, Staatsanleihen ganz zurückhaltend und sehen daher, wenn sich das Bild aufklart. Wenn sich das politische Wetter hoffentlich jetzt wieder bessert, ist es möglich da noch mehr Chancen zu nehmen. Wir sind erst mal positiv gestimmt, also ich sag mal gedämpft optimistisch.

Andreas Franik: Ein spannender Blick in die Welt der Krisenwährungen. Abgerundet mit einem Blick auf die Inhalte des Fonds und zur Aufstellung des und der Fonds bei Assenagon Asset Management. Das war Thomas Romig im Gespräch! Herzlichen Dank für das Gespräch.

Thomas Romig: Vielen Dank, Herr Franik.


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