Neue Option für die Personengesellschaft – Wahlrecht zur Besteuerung als Kapitalgesellschaft
nfep-Experteninterview – Interview mit JÖRG SCHRADE und LUISE UHL-LUDÄSCHER von CMS Hasche Sigle
Der Gesetzgeber hat noch kurz vor der Sommerpause die Besteuerung von Personengesellschaften reformiert und im Schnelldurchlauf ein Optionsmodell eingeführt. Was hat es damit auf sich?
Jörg Schrade: Mit der Einführung des Optionsmodells sollen die Nachteile der Personengesellschaftsbesteuerung beseitigt und die internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Personengesellschaft soll gestärkt werden.
Bisher werden Personengesellschaften einkommensteuerlich transparent behandelt, d.h. die Einkünfte werden den Gesellschafterinnen bzw. den Gesellschaftern zugerechnet und sind von diesen mit dem persönlichen (progressiven) Steuersatz von bis zu 46,9 Prozent zu versteuern. Dies gilt zunächst einmal unabhängig davon, ob die Einkünfte entnommen oder thesauriert werden. Seit 2008 gibt es zwar eine Thesaurierungsbegünstigung, in der Praxis wird diese jedoch eher selten genutzt. Bei gewerblichen Personengesellschaften ist die Gewerbesteuer durch die Personengesellschaft zu zahlen und kann grundsätzlich durch den Gesellschafter auf seine Einkommensteuerschuld angerechnet werden.
Die Besteuerung von Kapitalgesellschaften folgt einer anderen Systematik. Hier werden die Einkünfte stets auf Ebene der Kapitalgesellschaft mit Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer versteuert, wobei sich die Gesamtsteuerbelastung gemeindeabhängig zwischen 22,8 und 35 Prozent bewegt. Im Ausnahmefall der reinen Immobilienverwaltung beträgt die Steuerbelastung unter den Voraussetzungen der erweiterten Grundstückskürzung sogar nur 15,8 Prozent. Erst bei einer Ausschüttung hat der Gesellschafter auf Dividenden nochmals 26,4 Prozent des ausgeschütteten Betrags zu versteuern. Bis zur Ausschüttung können Gewinne mit einer geringeren Steuerbelastung reinvestiert werden und es entsteht ein Spardoseneffekt.
Das Optionsmodell erlaubt künftig die einkommensteuerliche Behandlung einer Personengesellschaft als Kapitalgesellschaft auf Antrag. Auch im Ausland ist dies in einzelnen Ländern bereits bekannt, u.a. die aus den USA bekannte check the box election.
Welche konkreten Folgen ergeben sich hieraus?
Luise Uhl-Ludäscher: Mit Ausübung der Option wird die Personengesellschaft für Ertragsteuerzwecke sowohl materiell-rechtlich als auch verfahrensrechtlich wie eine Kapitalgesellschaft und ihre Gesellschafter wie nicht persönlich haftende Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft behandelt. Die Option gilt einheitlich für die gesamte Personengesellschaft mit Wirkung für und gegen alle Gesellschafter. Eine hybride Besteuerung wie bei der KGaA mit Mitunternehmern und Aktionären ist nicht vorgesehen.
Ausschüttungen werden beim Gesellschafter erst dann als Einkünfte aus Kapitalvermögen besteuert, wenn Gewinnanteile entnommen werden oder ihre Auszahlung verlangt werden kann. Wann diesbezüglich eine Ausschüttung fingiert wird, wird entscheidend von den gesellschaftsvertraglichen Regelungen abhängen. Leistungen zwischen der Gesellschaft und ihren Gesellschafter führen nicht mehr zu Sondervergütungen, sondern bei der Gesellschaft zu Betriebsausgaben und beim Gesellschafter zu Einkünften aus nicht selbstständiger Arbeit, aus Vermietung und Verpachtung oder aus Kapitalvermögen.
Wer kann von dem Optionsmodell Gebrauch machen?
Luise Uhl-Ludäscher: Das Optionsmodell steht nicht allen Personengesellschaften offen. Antragsberechtigt sind nur gewerbliche Personenhandelsgesellschaften (d.h. OHG, KG) und Partnerschaftsgesellschaften. Vermögensverwaltende Personenhandelsgesellschaften und Gesellschaften bürgerlichen Rechts (GbR) sowie Einzelunternehmen und Investmentfonds im Sinne des Investmentsteuergesetzes sind von dem Wahlrecht ausgeschlossen.
Was ist bei der Antragstellung zu beachten?
Luise Uhl-Ludäscher: Der Antrag ist durch die optierende Personengesellschaft spätestens einen Monat vor Anwendungsbeginn zum Beginn des Wirtschaftsjahres und nur mit Wirkung für die Zukunft zu stellen. Damit die Besteuerung als Kapitalgesellschaft bereits ab dem 1. Januar 2022 möglich ist, lässt das Gesetz bereits eine Option im Jahr 2021 für nach dem 31. Dezember 2021 beginnende Wirtschaftsjahre zu. Für eine Steuerneutralität der Option ist zusätzlich ein Antrag auf Buchwertfortführung erforderlich.
Gibt es steuerliche Hürden zu beachten?
Jörg Schrade: Absolut. Obgleich die Optionsausübung formal sehr einfach durch einen Antrag möglich ist, gibt es eine Vielzahl von steuerlichen Hürden, die einer Optionsausübung entgegenstehen können. Für einen Laien sind diese kaum überblickbar und selbst für geübte Steuerrechtler eine Herausforderung. Hintergrund ist der Gleichlauf mit den steuerlichen Regelungen eines echten Formwechsels einer gewerblichen Personenhandelsgesellschaft in eine Kapitalgesellschaft. Darüber hinaus ergeben sich zusätzliche Besonderheiten hinsichtlich anderer Steuerarten, etwa der Grunderwerbsteuer oder der Erbschaft- und Schenkungsteuer. Hier findet die Option grundsätzlich keine Anwendung, allerdings werden punktuelle Regelungen getroffen, die nur für optierende Personengesellschaften gelten.
Können Sie uns Beispiele hierfür geben?
Jörg Schrade: Exemplarisch für die steuerlichen Fallstricke ist sicherlich die Einbeziehung von sogenanntem Sonderbetriebsvermögen in den „Umwandlungsvorgang“. Wirtschaftsgüter, die im Eigentum des Gesellschafters stehen und gleichzeitig funktional wesentlich für den Betrieb der Personengesellschaft sind, müssen bei einer beabsichtigten Steuerneutralität der Option in die Personengesellschaft eingebracht werden. Hier spielt das Timing eine besondere Rolle, da etwa die zeitlich vorgelagerte Übertragung von Sonderbetriebsvermögen auf die optierende Personengesellschaft zu einer steuerpflichtigen Aufdeckung von stillen Reserven in den übertragenen Wirtschaftsgütern führen kann. Oftmals handelt es sich bei dem Sonderbetriebsvermögen um inländische Grundstücke mit der Folge, dass die Übertragung auf die optierende Personengesellschaft Grunderwerbsteuer auslöst.
Eine weitere Schwierigkeit betrifft den Wegfall von gesellschafterbezogenen Ergänzungsbilanzen. Steuerminderungspotenzial aus positiven Ergänzungsbilanzen und latente Steuerbelastungen aus negativen Ergänzungsbilanzen werden bei der optierenden Personengesellschaft durch den Wechsel in die Besteuerung als Kapitalgesellschaft „sozialisiert“, was gegebenenfalls unter den Gesellschaftern ausgeglichen werden muss.
Ferner ist darauf zu achten, dass die Anteile an der optierenden Personengesellschaft einer siebenjährigen umwandlungssteuerrechtlichen Sperrfrist unterliegen. Damit scheiden etwa eine kurzfristige Rückoption sowie eine „Besteuerungsschaukel“ aus.
Ein weiterer, für die Steuerplanung wichtiger Aspekt ist der Untergang von bestehenden gewerbesteuerlichen Verlustvorträgen, Zinsvorträgen und EBITDA-Vorträgen.
Und schließlich ist darauf zu achten, dass die Optionsausübung bei einer vorherigen Inanspruchnahme der Thesaurierungsbegünstigung des § 34a EStG eine Nachbesteuerung auslöst. Wobei eine drohende Nachversteuerung gegebenenfalls durch entsprechende Vorstrukturierung vermieden werden kann.
Alles in allem lässt sich konstatieren, dass die formal sehr einfache Antragsstellung eine sorgfältige Detailprüfung der steuerlichen Folgen der Option erfordert und möglicherweise Vorstrukturierungen im Vorfeld der Antragsstellung erforderlich sind.
Kann ich wieder zurück in die Besteuerung als Personengesellschaft wechseln?
Luise Uhl-Ludäscher Ja, das ist möglich. Die Option zur Besteuerung als Kapitalgesellschaft unterliegt keiner zeitlichen Bindung. Wie auch bei der Option zur Besteuerung als Kapitalgesellschaft muss der Antrag für die Rückoption zur Besteuerung als Personengesellschaft spätestens einen Monat vor Beginn des Wirtschaftsjahres, für das der Besteuerungswechsel gelten soll, gestellt werden.
Die Rückoption gilt steuerlich als Formwechsel mit all seinen Folgen. Dies betrifft insbesondere die gesetzliche Fiktion in Bezug auf die Ausschüttung von thesaurierten Gewinnen sowie den Untergang von steuerlichen Verlustvorträgen, Zinsvorträgen und EBITDA-Vorträgen. Darüber hinaus wiegt schwer, dass die Rückoption innerhalb von sieben Jahren nach einer Option zur Besteuerung als Kapitalgesellschaft eine Sperrfristverletzung im Hinblick auf die Anteile an der optierenden Personengesellschaft darstellt mit der Folge, dass es zu einer (gegebenenfalls anteilig) rückwirkenden Aufdeckung der zum Zeitpunkt der Optionsausübung vorhandenen stillen Reserven kommt.
Gibt es sonst Besonderheiten zu beachten?
Jörg Schrade: Speziell im internationalen Kontext sind die Steuerfolgen noch komplexer, als dies ohnehin der Fall ist. Sind an der optierenden Personengesellschaft etwa im Drittland ansässige Gesellschafter beteiligt, ist der Wechsel zur Besteuerung als Kapitalgesellschaft insoweit nicht steuerneutral möglich. Das führt dazu, dass die stillen Reserven quotal aufzudecken und von den im Drittstaat ansässigen Gesellschaftern zu versteuern sind. Zudem kann bei der Personengesellschaft Gewerbesteuer anfallen, wenn die im Drittstaat ansässigen Gesellschafter Kapitalgesellschaften sind oder als natürliche Personen mittelbar über eine gewerbliche Personengesellschaft beteiligt sind.
Ferner können bei der grenzüberschreitenden Besteuerung auch Qualifikationskonflikte auftreten, weil der ausländische Staat die deutsche Option nicht anerkennt. Hier droht in bestimmten Konstellationen eine Doppelbesteuerung bzw. ein erhöhter Abstimmungsbedarf.
Zuletzt ist auch darauf zu achten, dass bei einem Wegzug aus Deutschland eine steuerpflichtige Aufdeckung von stillen Reserven in den Anteilen an der optierenden Personengesellschaft droht, was vor der Option der Besteuerung als Kapitalgesellschaft im Regime der Personengesellschaftsbesteuerung nicht der Fall gewesen wäre.
Was gibt es bei anderen Steuerarten zu beachten?
Luise Uhl-Ludäscher: Positiv aus Sicht des Steuerpflichtigen ist zunächst, dass die optierende Personengesellschaft für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer weiterhin als Personengesellschaft behandelt wird. Dies hat den Vorteil, dass Anteile an der optierenden Personengesellschaft ohne Einhaltung der Mindestbeteiligungsquote von mehr als 25 Prozent und auch ohne Abschluss eines Poolvertrags steuerlich begünstigungsfähig sind. Im Detail werden sich dennoch Unterschiede zur erbschaft- und schenkungsteuerlichen Behandlung einer nicht optierenden Personengesellschaft ergeben. Dies betrifft insbesondere früheres Sonderbetriebsvermögen, das es bei der optierenden Personengesellschaft nicht mehr geben wird. Auch die Überentnahmeregelungen innerhalb der Behaltensfrist dürften im Ergebnis von der gesellschaftsrechtlichen Gewinnverwendungsabrede sowie den Entnahmeregelungen abhängen. Für vermögensverwaltend tätige, jedoch gewerblich geprägte Personengesellschaften besteht darüber hinaus das Risiko, dass nach einer Option die Anteile an der Gesellschaft nicht mehr begünstigungsfähig sind. Dies kann insbesondere dann nachteilig sein, wenn sich im Vermögen der vermögenverwaltenden Personengesellschaft Beteiligungen an Kapitalgesellschaften befinden.
Auch für Zwecke der Grunderwerbsteuer wird die optierende Personengesellschaft weiterhin als Personengesellschaft behandelt. Damit werden durch die Ausübung der Option insbesondere keine neuen Haltefristen ausgelöst. Zur Vermeidung von missbräuchlichen Gestaltungen kommt die Steuerbefreiung für Übertragungen von Grundbesitz vom Gesellschafter auf Personengesellschaften jedoch nicht zur Anwendung. Aber auch im Hinblick auf Grundstücke im Vermögen der Personengesellschaft kann die Option zur Verletzung der jeweils fünf- bzw. seit 1. Juli 2021[A1] zehnjährigen Sperrfristen führen.
Hat das Optionsmodell Auswirkungen auf das Verhältnis zwischen den Gesellschaftern?
Jörg Schrade: Ja, mit Einführung des Optionsmodells ergibt sich rechtlicher Handlungsbedarf zur Anpassung von Gesellschaftsverträgen von Personengesellschaften. Das gilt sowohl für bestehende als auch neu zu errichtende Personengesellschaften. Die bisher allgemein zugänglichen Vertragsmuster berücksichtigen dies naturgemäß noch nicht.
Eine Vertragsanpassung ist insbesondere im Hinblick auf die Vermeidung bzw. den Umgang mit fremdbestimmten Steuerwirkungen und die Vorbeugung von Konfliktpotenzial opportun. Dies betrifft vornehmlich Situationen, bei denen sich die Option oder Rückoption bei einzelnen Gesellschaftern nachteilig auswirkt. Das kann etwa Gesellschafter mit Sonderbetriebsvermögen betreffen, für die die Option nur bei Übertragung des Sonderbetriebsvermögens steuerneutral möglich ist; oder die Nachversteuerung bei bisheriger Inanspruchnahme der Thesaurierungsbegünstigung durch nur einzelne Gesellschafter. Es kann jedoch auch den Ausgleich der Sozialisierung von gesellschafterbezogenen Steuereffekten aufgrund Sonder- und Ergänzungsbilanzen oder den Wegfall von personenbezogenen Verlustvorträgen anbelangen sowie Steuerfolgen einer Rückoption, die sich abhängig von der Zusammensetzung des Gesellschafterkreises unterschiedlich auswirken kann. Nicht zuletzt können ausländische Gesellschafter nachteilig betroffen sein.
Da bei den meisten Personengesellschaften für Beschlussfassungen keine Einstimmigkeit, sondern ein Mehrheitsbeschluss vorgesehen ist, und die Option und Rückoption laut Gesetz lediglich eine qualifizierte Mehrheit von 75 Prozent erfordern, wäre zum Minderheitenschutz ein abweichendes Zustimmungserfordernis bei einseitiger Betroffenheit denkbar. Darüber hinaus ist insbesondere eine Anpassung der Gewerbesteuerklausel im Hinblick auf steuerliche Sondereffekte aufgrund personenbezogener Steuerwirkungen zu empfehlen. Nicht zuletzt sind zwingend eine Überprüfung und gegebenenfalls die Anpassung der Gewinnverwendungs- und Entnahmeregelungen sowie möglicherweise auch eine Anpassung der Kapitalkonten geboten, um den mit der Option regelmäßig gewünschten Steuereffekt aus der Thesaurierung sicherzustellen.
Wie ist das Optionsmodell insgesamt einzuordnen?
Luise Uhl-Ludäscher: Aus Sicht des Steuerpflichtigen ist das Optionsmodell grundsätzlich positiv und bietet eine zusätzliche Gestaltungsoption für die Steuerplanung. Dies trifft insbesondere auf überwiegend thesaurierende Personengesellschaften zu. Besonders attraktiv ist das in Kombination mit den gesellschaftsrechtlichen Vorteilen der Personengesellschaft, wie geringeren Formerfordernissen, einem geringeren administrativen Aufwand, geringeren Publizitätsanforderungen und einem weniger strengen Regime der Unternehmensmitbestimmung. Andererseits ist in der Regel eine umfassende Prüfung der steuerlichen Folgen unentbehrlich, zumal eine kurzfristige Rückoption nicht ohne Steuerfolgen möglich ist.
Das Interview führte Maximilian Kleyboldt vom Netzwerk der Finanz- und Erbschaftsplaner e.V.
Autoren:
Jörg Schrade, Partner, CMS Hasche Sigle in München
Luise Uhl-Ludäscher, Principal Counsel, CMS Hasche Sigle in Stuttgart
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