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Stiftungen: Die Reform des Stiftungsrechts nimmt Fahrt auf!

Nachdem es um die Stiftungsrechtsreform seit über zwei Jahren sehr still war, hat das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz am 28. September einen Referentenentwurf eines Gesetzes zur Vereinheitlichung des Stiftungsrechts vorgelegt.

Im Interview erläutert Dr. Dirk Schauer, Rechtsanwalt bei CMS in Stuttgart und spezialisiert auf die Beratung in den Bereichen Nachfolge, Vermögen und Stiftungen, die wesentlichen Eckpunkte des Entwurfs.

Herr Dr. Schauer, was sind die Kernbestandteile des Referentenentwurfs?

Der Referentenentwurf ist auf eine umfassende Vereinheitlichung des deutschen Stiftungsrechts auf Bundesebene ausgerichtet. Das Stiftungszivilrecht soll im BGB – im Bürgerlichen Gesetzbuch – konzentriert werden, sodass wesentliche Bestandteile der 16 Landesstiftungsgesetze obsolet werden würden. Besonders hervorzuheben sind:

  • eine umfangreiche, eigenständigere Kodifizierung des Stiftungsrechts insbesondere in den Bereichen Stiftungsorgane sowie Stiftungsvermögen und dessen Verwaltung,
  • die Einführung einer eigenständigen Haftungsnorm für Stiftungsorgane und die Kodifizierung der Business Judgement Rule,
  • die Schaffung eines gesetzlichen Ermächtigungskatalogs zur Vornahme von Satzungs- oder Zweckänderungen, zur Umwandlung in eine Verbrauchsstiftung, zur Zusammenlegung oder auch zur Auflösung einer Stiftung und schließlich
  • die Schaffung eines Stiftungsregisters mit Publizitätswirkung sowie mit Meldefiktionswirkung im Sinne des Geldwäschegesetzes (des GwG).

Waren diese Inhalte zu erwarten? Wie ist es zu dem nun vorgelegten Referentenentwurf gekommen?

Der Referentenentwurf fußt auf der Arbeit der Bund-Länder-Arbeitsgruppe Stiftungsrecht, kurz BLA, die seit 2014 die Reformbedürftigkeit des deutschen Stiftungsrechts geprüft und im Februar 2018 ihren Abschlussbericht vorgelegt hat.

Bestandteil des Abschlussberichts war ein sogenannter Diskussionsentwurf, ein ausformulierter und begründeter Gesetzesentwurf. Der nun vorgelegte Referentenentwurf – kurz BGB-RE – entspricht in wesentlichen Teilen dem Diskussionsentwurf der BLA. Während der Arbeit der BLA wurden allerdings verschiedene, progressivere Ansätze nach kontroverser Diskussion fallen gelassen.

So fanden sich beispielsweise die „Stifterrechte“ nicht mehr im Diskussionsentwurf, die dem Stifter das Recht eingeräumt hätten, die Verfassung der Stiftung auch noch nach der Anerkennung der Stiftung abzuändern. Der Referentenentwurf geht aber insbesondere in puncto Stiftungsregister erfreulicherweise auch über den Diskussionsentwurf hinaus. Während der Abschlussbericht der BLA diesbezüglich lediglich eine Machbarkeitsstudie anregte, beinhaltet der Referentenentwurf nun einen umfassenden Vorschlag zur Schaffung eines Stiftungsregisters.

Herr Dr. Schauer, bitte erläutern Sie uns die wesentlichen Eckpunkte des Entwurfs im Stiftungszivilrecht etwas näher.

Im Bereich der Stiftungsorgane, also bei §§ 84 bis 84c des Entwurfs, zeichnet sich dieser durch eine eigenständige Kodifizierung von bislang ungeschriebenen Grundsätzen sowie eigenständige Kodifizierung von Regelungen, die bislang über die Verweisung des § 86 BGB im Vereinsrecht festgelegt sind. Dies betrifft insbesondere zahlreiche allgemeine Grundlagen.

Der Entwurf sieht des Weiteren die Kodifizierung der aus dem Aktienrecht entlehnten und von der stiftungsrechtlichen Rechtsprechung übernommenen Business Judgement Rule als Pflichtenmaßstab für die Stiftungsorgane vor: Nach § 84a Abs. 3 S. 2 handelt ein Stiftungsorgan dann nicht pflichtwidrig, wenn es unter Beachtung gesetzlicher und satzungsmäßiger Vorgaben vernünftigerweise annehmen durfte, auf der Grundlage angemessener Informationen zum Wohle der Stiftung zu handeln.

Im Falle eines Pflichtverstoßes soll künftig nicht mehr das Organmitglied sein Nichtverschulden, sondern umgekehrt die Stiftung das Verschulden des Organmitglieds darlegen und beweisen müssen, wie mit § 84a Abs. 3 vorgeschlagen ist. Eine satzungsmäßige Beschränkung der Haftung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit soll künftig nur noch in der sogenannten Errichtungssatzung durch den Stifter selbst vorgesehen werden können, was wiederum aus § 84a Abs. 3 S. 3 hervorgeht.

Bezüglich des Stiftungsvermögens und seiner Verwaltung enthält der Entwurf ebenfalls umfängliche Regelungsvorschläge. Es wird zwischen Grundstockvermögen und sonstigem Vermögen der Stiftung unterschieden, und zwar in § 83b. Das Grundstockvermögen unterliegt dem Vermögenserhaltungsgrundsatz, wobei § 83c zufolge in der Satzung ein temporärer Verbrauch mit Wiederauffüllungsverpflichtung vorgesehen werden kann. Das sonstige Vermögen unterliegt nicht dem Vermögenserhaltungsgrundsatz und kann insbesondere zur Zweckverwirklichung verbraucht werden. Dementsprechend verfügen Verbrauchsstiftungen nur über sonstiges Vermögen. Aber auch eine Ewigkeitsstiftung kann ein sonstiges Vermögen haben oder aufbauen. Es sind also weiterhin sogenannte Hybridstiftungen möglich.

Bezüglich der Verbrauchsstiftung beinhaltet der Referentenentwurf ebenfalls verschiedene Bestimmungen, angefangen von einer Legaldefinition in § 80 Abs. 1, wonach eine Verbrauchsstiftung auf eine bestimmte Zeit errichtet werden muss, in der das gesamte Stiftungsvermögen zu verbrauchen ist.

Damit wäre nur die zeitlich befristete Verbrauchsstiftung eine solche im Sinne des Gesetzes, wobei eine zweckbefristete Verbrauchsstiftung allerdings auch nicht für unzulässig erklärt wird. Bezüglich besonderer Anforderungen auf Ebene der Satzung, was den Verbrauch des Stiftungsvermögens betrifft, sei auf § 81 Abs. 2 des Entwurfs verwiesen. Und um die gesetzliche Pflicht der Stiftungsorgane oder subsidiär der Stiftungsbehörde, die Verbrauchsstiftung aufzulösen, wenn ihre Zeit abgelaufen ist, geht es in § 87 Abs. 2, 87a Nr. 1.

Was bringt der Entwurf Neues im Bereich der Satzungs- und Grundlagenänderungen?

Hier übernimmt der Entwurf im Wesentlichen den gestuften Ermächtigungskatalog des Diskussionsentwurfs, und zwar in § 85 ff. Damit sollen im BGB bundeseinheitliche Regelungen im Hinblick auf die Voraussetzungen und den Ablauf geschaffen werden. Die landesgesetzlichen Regelungen werden damit obsolet.

Nach der Intensität der Maßnahme sind die Tatbestandsvoraussetzungen wie folgt gestuft: einfache Satzungsänderungen, Änderungen prägender Satzungsbestimmungen, Zweckänderungen sowie die Umwandlung in eine Verbrauchsstiftung, Zulegungen und Zusammenlegungen und schließlich die Auflösung einer Stiftung. Der Referentenentwurf sieht gestaffelte Anforderungen vor – von einer Erleichterung der Zweckerfüllung für einfache Satzungsänderungen bis zum Scheitern der Lebensfähigkeitsprognose für die Auflösung der Stiftung – und ordnet die Maßnahmen in ein gesetzliches Rangverhältnis ein.

Nur der Stifter selbst soll in der Errichtungssatzung die Voraussetzungen abweichend von den gesetzlichen Vorgaben regeln können, wobei ihm dieses Recht nicht in Bezug auf die Auflösung und die Zu- oder Zusammenlegung zustehen soll. Für die Zu- und Zusammenlegung sieht der Entwurf ein umfangreiches Regelwerk vor, das von der dringend erforderlichen Gesamtrechtsnachfolge über Details zum Ablauf bis zum Gläubiger- und Rechtsschutz reicht. Insbesondere wird ein Vermögensübergang im Wege der Gesamtrechtsnachfolge vorgeschlagen, wodurch Zu- und Zusammenlegungen zu einem attraktiveren Instrument im Umgang mit notleidenden Stiftungen werden.

Was würde die Einführung eines solchen Ermächtigungskatalogs für bestehende Stiftungen bedeuten?

Für heutige Stiftungen, deren Satzungen keine oder nur unzureichende Regelungen im Hinblick auf Satzungs- und Grundlagenänderungen beinhalten, könnte ein solcher gesetzlicher Ermächtigungskatalog neue Handlungsoptionen eröffnen und Flexibilität bringen. Gleichwohl lassen sich noch verschiedene Punkte kritisieren, etwa die hohen, für den Stifter nicht dispositiven Voraussetzungen für eine Zu- oder Zusammenlegung. Außerdem ist die steuerliche Seite noch nicht zu Ende gedacht. Es überzeugt beispielsweise nicht, dass Artikel 8 des Entwurfs den Vermögenserwerb im Rahmen einer Zu- oder Zusammenlegung der Schenkungsteuer unterstellen soll. Dies würde privatnützigen Stiftungen, die die Steuerbefreiung nach § 13 Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz nicht nutzen können, die Zu- und Zusammenlegung faktisch verbieten.

Weiterhin ist zu beachten, dass der Referentenentwurf nur dem Stifter die Kompetenz zugesteht, die Voraussetzungen für Satzungs- und Grundlagenänderungen abweichend vom Gesetz zu regeln. Das bedeutet für zukünftige Stifter, dass die sorgfältige und weitsichtige Satzungsgestaltung noch weiter an Bedeutung gewinnen wird. Für bestehende Stiftungen heißt dies, dass Änderungen – wenn denn Anpassungsbedarf besteht – noch umgesetzt werden sollten, bevor der Referentenentwurf Gesetz wird.

Was lässt der Referentenentwurf in Bezug auf das Stiftungsregister erwarten?

Wissenschaft und Praxis sind sich seit Langem einig, dass es ein Stiftungsregister mit Publizitätswirkung braucht. Dementsprechend groß war die Ernüchterung über das Ergebnis der BLA, das hierzu lediglich eine Machbarkeitsstudie anregte, aber keinen konkreten Vorschlag enthielt.

Der Referentenentwurf überraschte daher im positiven Sinne mit seinem konkreten und umfassenden Vorschlag zur Einführung eines Registers mit Publizitätswirkung und Meldefiktionsfähigkeit im Sinne des GwG. § 82d des Entwurfs sieht eine „negative Publizitätswirkung“ vor, sodass eintragungspflichtige Tatsachen – etwa die Bestellung eines neuen Vorstands oder die Vertretungsregelung – zwar nicht erst mit Eintragung im Register wirksam werden, aber die Stiftung sich gegenüber Dritten nur dann auf eine nicht eingetragene Tatsache berufen kann, wenn der Dritte von dieser Tatsache anderweitig Kenntnis erlangt hat. Mit anderen Worten: Der Rechtsverkehr wird in gutem Glauben darauf geschützt, dass außer den eingetragenen keine anderen eintragungspflichtigen Umstände gegeben sind.

Nach § 2 des Stiftungsregistergesetz-Referentenentwurfs (StiftRG-RE) sind in das Register unter anderem folgende Aspekte einzutragen: Name und Sitz der Stiftung, die Mitglieder des Vorstands und besondere Vertreter sowie deren Vertretungsmacht, bei Verbrauchsstiftungen der Befristungszeitpunkt sowie Satzungs- und Grundlagenänderungen. Anmeldungen beim Register sind öffentlich zu beglaubigen, und zum Nachweis der eintragungspflichtigen Tatsachen sind entsprechende Dokumente in Abschrift einzureichen, wenn es nach §§ 3 ff. StiftRG-RE geht. Eine Einsichtnahme in das Register und die eingereichten Dokumente soll nach § 15 jedermann möglich sein.

Mit Blick auf die Meldepflichten rechtsfähiger Stiftungen zum elektronischen Transparenzregister würde der Referentenentwurf eine Erleichterung gegenüber dem GwG bringen. Die Eintragung in das Stiftungsregister soll nach Artikel 9 des Entwurfs als weitere meldefiktionsfähige Quelle in § 20 Abs. 2 GwG aufgenommen werden. Dadurch wäre zumindest im Hinblick auf die Mitglieder des Vorstands und für besondere Vertreter einer Stiftung, die nach § 3 Abs. 3 GwG als wirtschaftlich Berechtigte anzusehen sind, keine Meldung mehr an das elektronische Transparenzregister erforderlich, sofern das Stiftungsregister korrekt gepflegt ist.

Das Register soll vier Jahre nach Gesetzesverkündung seine Arbeit aufnehmen, und auch alle bestehenden Stiftungen sollen sich dann innerhalb eines Jahres eintragen.

Infolge der Eintragung in das Register sollen rechtsfähige Stiftungen – wenn es nach § 82c BGB-RE geht – künftig einen Rechtsformzusatz im Namen tragen, und zwar „e. S.“ beziehungsweise „eingetragene Stiftung″ oder „e. VS.“ beziehungsweise „eingetragene Verbrauchsstiftung“.

Wie wurde der Referentenentwurf in Wissenschaft und Praxis aufgenommen?

Die Stellungnahmen sind gemischt. Der Entwurf beinhaltet viele wichtige Ansätze zu diversen Aspekten von der dringend notwendigen Konsolidierung und Vereinheitlichung des Stiftungszivilrechts im BGB über die Kodifikation eines gesetzlichen Ermächtigungskatalogs zur Vornahme von Grundlagenänderungen bis hin zur Einführung des überfälligen Stiftungsregisters. Aber er krankt auch an vielen Stellen. Ihm wird sicherlich in Teilen zu Recht ein Hang zur überschießenden Regulierung und zu allzu restriktiven Ansätzen vorgeworfen.

Hier sei beispielsweise an die unnötige und mit vielen kitzligen Folgefragen versehene Legaldefinition der Stiftung und der Verbrauchsstiftung gedacht, an den Ausschluss der Stiftung auf Zeit oder an die Abkopplung der Organisationsverfassung vom Vereinsrecht, die zahlreiche neue Rechtsunsicherheiten birgt.

Außerdem überzeugt es nicht, dass die gesetzlichen Regelungen nur noch bei einer ausdrücklichen gesetzlichen Gestattung zur Disposition des Stifters stehen sollen, wie aus § 83 Abs. 2 des Entwurfs hervorgeht. Wie bereits zu den Grundlagenänderungen angemerkt, beinhaltet der Entwurf außerdem einige handwerkliche Fehler. Es besteht also noch Nachbesserungsbedarf.

Wie geht es nun weiter?

Stiftungen und Stifter sollten die Reform nun genau im Blick behalten. Es wurden bereits Stellungnahmen der Wissenschaft und der Interessenverbände zum Referentenentwurf eingeholt, und angesichts der umfassenden Einbeziehung der Länder und Verbände im Rahmen der Vorarbeiten der BLA könnte das Gesetzgebungsverfahren vergleichsweise zügig ablaufen. Es bleibt zu hoffen, dass dabei die notwendigen Nachbesserungen vorgenommen werden.

Bestehende Stiftungen sollten daher prüfen, ob noch vor einem etwaigen Inkrafttreten der Reform Anpassungen an ihrer Satzung vorzunehmen sind. Die im Referentenentwurf vorgesehene eingeschränkte Disponibilität einiger Bestimmungen könnte auch für potenzielle Stifter ein Anlass sein, ein Stiftungsvorhaben zeitlich zu forcieren.

Vielen Dank für das Gespräch.


Das Interview führte Maximilian Kleyboldt vom Netzwerk der Finanz- und Erbschaftsplaner e.V. mit Dr. Dirk Schauer, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Erbrecht, CMS Hasche Sigle Partnerschaft von Rechtsanwälten und Steuerberatern mbB


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