Financial & Estate Planning I Praxis

Wegzug ins Ausland: wie Familienstiftungen vor Steuernachteilen bewahren können

von THORSTEN KLINKNER, Rechtsanwalt und Steuerberater, Gründer und geschäftsführender Gesellschafter, UnternehmerKompositionen GmbH

Wollen vermögende Familien Deutschland verlassen, droht ihnen die teure Wegzugbesteuerung. Die Lösung: Im Rahmen der Vermögensnachfolgegestaltung mit einer Familienstiftung, die vor dem Wegzug eingerichtet wird, kann sich der Stifter nach Übertragung seiner Gesellschaftsanteile auf die Stiftung „frei“ um den Globus bewegen.

Laut Statista sind 2018 circa 270.000 Menschen aus Deutschland ausgewandert. Die Motive hierfür sind vielfältig. Aktuell beschäftigen sich insbesondere Unternehmer und vermögende Privatpersonen mit dem Wegzug. Ihre Hauptmotive sind eine stetig zunehmende Regulierung in Deutschland und die Sorge vor einer Verschärfung beziehungsweise der Neueinführung von Substanzsteuern, insbesondere einer Vermögensteuer. In anderen Ländern, auch in Europa, sind die Regeln freundlicher, sodass sich der Vermögensschutz im (benachbarten) Ausland unter Umständen leichter darstellen lässt als in Deutschland.

Insbesondere die Schweiz steht bei der Verlagerung des Wohnsitzes oder des gewöhnlichen Aufenthalts (also des Lebensmittelpunkts bei mehreren Wohnsitzen) hoch im Kurs. Das hat steuerliche Folgen. Denn auf Personen, die – bislang! – mindestens zehn Jahre in Deutschland der unbeschränkten Steuerpflicht unterlagen und innerhalb der vergangenen fünf Jahre zumindest 1 Prozent der Anteile an einer Gesellschaft hielten, kommt die sogenannte Wegzugbesteuerung zu. Diese kann eine erhebliche steuerliche Sonderbelastung auslösen. In der rechtlichen und steuerlichen Strukturierung ist die Thematik einer „unbeschränkten“ oder einer „erweiterten“ Erbschaft- und Schenkungsteuerpflicht von Bedeutung. Ab dem 1. Januar 2022 greift die Wezugbesteuerung erweitert bei natürlichen Personen, die innerhalb der vorangegangenen zwölf Jahre insgesamt mindestens sieben Jahre unbeschränkt einkommensteuerpflichtig waren.

Persönliche Lebenssituation aller Beteiligten sorgfältig prüfen

Generell dient die Wegzugbesteuerung dem Zweck, einer Flucht vor der Besteuerung von Veräußerungsgewinnen von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft durch vorzeitigen Wegzug des Gesellschafters ins Ausland zu begegnen. Denn mit solch einem Wegzug ist auch eine Verlagerung der Besteuerungshoheit an den Zielort verbunden. Eine unbeschränkte Steuerpflicht besteht, wenn einer der Beteiligten im Zeitpunkt eines Erbfalls oder einer Schenkung steuerlich als Inländer zu beurteilen ist (§ 2 ErbStG). Es kommt also nicht nur auf den Schenker an, sondern auch auf den Erwerber. In der Gestaltungsberatung ist es daher sehr wichtig, die persönliche Lebenssituation aller Beteiligten sorgfältig zu prüfen. Im Rahmen dieser Besteuerung werden also bei GmbH-Geschäftsanteilen und gegebenenfalls auch bei Anteilen an Personengesellschaften, wie der KG, der GmbH & Co. KG oder der GbR, stille Reserven aufgelöst, die zu versteuern sind.

Der Steuerpflichtige wird damit so gestellt, als ob er seine Beteiligung veräußert hätte. Es findet also eine Besteuerung einer fiktiven Veräußerung statt, wobei auch stille Reserven aufgelöst werden. Vereinfacht gesagt führt dies dazu, dass die Differenz zwischen Buchwert und Verkehrswert der Anteile mit dem persönlichen Einkommensteuersatz des Steuerpflichtigen besteuert wird. Bei vermögenden Unternehmern liegt dieser Steuersatz in der Regel bei 45 Prozent. Die Besteuerung erfolgt dabei nach dem Teileinkünfteverfahren. Nur ein festgelegter Teil der zu versteuernden Kapitaleinkünfte – nämlich 60 Prozent – muss dabei mit dem persönlichen Einkommensteuersatz des Anteilseigners versteuert werden. Die übrigen 40 Prozent bleiben einkommensteuerfrei. Gleiches gilt für die Versteuerung von Veräußerungsgewinnen.

Wegzugbesteuerung auch bei Erben

Entgegen einer weitverbreiteten Ansicht greift die Wegzugbesteuerung aber nicht nur bei einem Wegzug des Steuerpflichtigen, sondern auch dann, wenn (mindestens) eine der folgenden Voraussetzungen erfüllt ist: Der Übergang von Anteilen erfolgt aufgrund von Tod oder Schenkung auf eine nicht in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtige Person; ein Wohnsitz wird zwar beibehalten, aber nach einem Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) wird der Steuerpflichtige als im anderen Staat ansässig angesehen; oder es wird die Einlage der Anteile in einen Betrieb oder eine Betriebsstätte in einem ausländischen Staat vorgenommen.

Ebenso kann die Wegzugbesteuerung ausgelöst werden, wenn Anteile an einer Kapitalgesellschaft (mindestens 1 Prozent im Privatvermögen) vererbt oder verschenkt werden und der Erbe weder Wohnsitz noch gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat oder lediglich Einkünfte nach beschränkter Steuerpflicht erzielt. Bei Familienkonstellationen, bei denen Kinder oder Enkel im Ausland leben, erhält die Wegzugbesteuerung damit eine große Bedeutung. Die unbeschränkte Erbschaftsteuerpflicht tritt für den gesamten Vermögensanfall, also auch unter Einbeziehung des Auslandsvermögens ein, wenn entweder der Erblasser zur Zeit des Todes oder der Erbe zur Zeit der Entstehung der Steuerpflicht ein steuerlicher Inländer ist.

Drastische Verschärfung der Wegzugbesteuerung droht

Wichtig bei Wegzugsüberlegungen ist die drastische Verschärfung der betreffenden Besteuerung ab dem 1. Januar 2022. Ende Mai hat der Deutsche Bundestag das Gesetz zur Umsetzung der europäischen Anti-Steuervermeidungsrichtlinie (ATADUmsG) beschlossen, das vom Bundesrat in dessen letzter Sitzung vor der Sommerpause am 25. Juni 2021 bestätigt wurde. Insbesondere wird die zinslose unbefristete Stundung bei Wegzug von EU- wie auch EWR-Bürgern innerhalb des EU- beziehungsweise EWR-Raums abgeschafft und durch die Möglichkeit einer siebenjährigen Ratenzahlung ersetzt. Derzeit und noch bis einschließlich 31. Dezember 2021 wird seit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache „Wächtler“ (C-581/17) und der Reaktion der Finanzverwaltung durch das BMF-Schreiben vom 13. November 2019 bei einem Wegzug in die Schweiz, die weder Mitglied der EU noch des EWR ist, auf Antrag eine verzinste Stundung in fünf gleichen Jahresraten ohne Sicherheitsleistung gewährt.

Stiftungsgründung kann Wegzugbesteuerung bei Wohnsitzverlagerung ins Ausland vermeiden

Kurz gesagt heißt das, dass die Wegzugbesteuerung zu weitreichenden steuerlichen Lasten führen kann. Aber wie kann dieses Damoklesschwert abgewendet werden? Im Rahmen der Vermögensnachfolgegestaltung mit Einrichtung einer Familienstiftung vor dem Wegzug kann sich der Stifter nach Übertragung seiner Gesellschaftsanteile auf die Stiftung „frei“ um den Globus bewegen. Die Stiftung hat – wie eine natürliche Person – keine Eigentümer oder Mitglieder. Überträgt die Stifterfamilie ihre Unternehmensanteile auf eine Stiftungsstruktur, wird diese zum neuen Eigentümer. So sind die Anteile am Familienunternehmen wirksam den persönlichen Lebensrisiken der Familie (Zersplitterung, Verkäufe oder auch Haftungsfälle als Geschäftsführer) entzogen.

Da es an einer Stiftung keine Anteile gibt, kann der Stifter die Wegzugbesteuerung bei einer Wohnsitzverlagerung ins Ausland vermeiden (§ 6 AStG im Umkehrschluss). Wenn der Sitz der Stiftung verlagert wird, ist zu unterscheiden, ob sie im EU- oder EWR-Raum verbleibt oder ihren Sitz in einen Drittstaat verlegt. Entgegen früherer Ansichten verliert die Familienstiftung bei einem Wegzug nicht ihre Rechtsfähigkeit als Körperschaft. Verlegt sie ihren Sitz in einen EU- oder EWR-Staat, behält sie ihre Rechtsidentität, sodass auch keine Schlussbesteuerung im Sinne des § 12 Absatz 3 KStG vorgenommen wird. Etwas anderes gilt nur bei Verlegung des Sitzes oder der Geschäftsleitung in einen Drittstaat. Dann gilt sie als aufgelöst. Nach Willen des Gesetzgebers soll so eine Aufdeckung und Besteuerung stiller Reserven im letztmöglichen Zugriffszeitpunkt möglich sein. In der Stiftungssatzung sollte dann bereits bei der Errichtung festgelegt werden, dass die Stiftung ihren Sitz ins Ausland verlegen kann.

Keine Erbersatzsteuer fällig bei liechtensteinischer Familienstiftung

Eine sehr interessante Alternative stellt die liechtensteinische Stiftung in ihrer Form als Familienstiftung dar. Zivilrechtlich entspricht die Familienstiftung im Fürstentum Liechtenstein hinsichtlich ihrer Struktur und Funktion in etwa einer deutschen rechtsfähigen Stiftung im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB). Es handelt sich um eine juristische Person, die nicht in Form eines Personenverbands, sondern in der Form eines verselbstständigten Zweckvermögens organisiert ist und einen vom Stifter bestimmten Zweck dauernd fördern soll. Bei der liechtensteinischen Familienstiftung wird keine Erbersatzsteuer fällig, und zudem unterliegt sie mit ihren Gesamteinkünften einer Ertragsteuer von 12,5 Prozent, während in Deutschland eine Körperschaftsteuer in Höhe von 15 Prozent fällig wird. Es erfolgt auch keine Besteuerung der Zuwendung an die Begünstigten in Liechtenstein, da die dortige Erbschaft- und Schenkungsteuer im Jahr 2011 abgeschafft wurde. Zuwendungen von Ausländern (auch Deutschen) an Stiftungen sind in Liechtenstein grundsätzlich nicht steuerpflichtig.

Risikofaktor Wegzugbesteuerung aktiv in die Nachfolgeplanung aufnehmen

Das Attraktive an der Familienstiftung nach liechtensteinischem Recht ist die Tatsache, dass der Stifter und dessen Familie nicht dort ansässig sein müssen. Sie können also beispielsweise auch bei einem Wegzug in die Schweiz eine liechtensteinische Stiftung gründen. In diesem Fall können alle steuerlichen Vorteile der liechtensteinischen Stiftung in Kombination mit der Wirksamkeit des neuen Lebensmittelpunkts in der Schweiz genutzt werden. Das heißt, durch die Bestimmung eines Zwecks bei der Errichtung der Stiftung kann der Stifter festlegen, wer zu den Begünstigten der Stiftung gehören soll. Bei einer Familienstiftung sind dies natürlich die Familienmitglieder.

Damit ist beispielsweise ein ehemaliger GmbH-Gesellschafter und Stifter in der Lage, über die Stiftung indirekt am Erfolg der GmbH zu partizipieren. Dies gilt selbstverständlich auch für die übrigen Begünstigten. Zugleich fehlt dem Stifter aber auch die Eigenschaft als Gesellschafter an einer Kapitalgesellschaft. Also kann er nun ins Ausland ziehen, ohne der Wegzugbesteuerung zu unterliegen. Da die Vermögensgegenstände demnach auch nicht mehr der natürlichen Erbfolge unterliegen, sondern vom Stiftungsvorstand gesteuert und verwaltet werden, wird der Risikofaktor der Wegzugbesteuerung aktiv in die Nachfolgeplanung aufgenommen und eine derartige Besteuerung somit – bei guter Ausgestaltung – planungssicher ausgeschlossen.


Über den Autor:

Rechtsanwalt und Steuerberater Thorsten Klinkner führt die Rechtsanwalts- und Steuerberatungsgesellschaft UnternehmerKompositionen GmbH aus Meerbusch bei Düsseldorf. Sie ist etablierter Spezialdienstleister für die rechtlich, steuerlich und strategisch tragfähige Errichtung von Familienstiftungen als Instrument zukunftsorientierter Eigentümerstrukturen und zu 100 Prozent auf die Entwicklung von langfristigen Stiftungsstrategien für Familienunternehmen und professionelle Immobilieninvestoren im deutschsprachigen Raum spezialisiert. Thorsten Klinkner kooperiert auch mit anderen Berufsträgern, unabhängigen Vermögensverwaltern und Family Offices. www.unternehmerkompositionen.com


Dies ist ein Artikel aus unserem FINANCIAL PLANNING Magazin. Hier geht es zu dieser Ausgabe: