Immobilien der Zukunft
Büromärkte im Wandel
Ob Homeoffice oder Klimawandel – Immobilien müssen sich stets an Veränderungen in der Gesellschaft anpassen. Was sind die künftigen Anforderungen an Büroimmobilien, an welchen Standorten müssen sie stehen, damit sie weiterhin eine stabile Kapitalanlage darstellen? Ein Blick in die kurzfristige und mittelfristige Zukunft.
Steigende Zinsen, hohe Inflation, Rezessionsängste, explodierende Baukosten: Wer einen Blick auf die Immobilie der Zukunft wirft, kann die kurzfristige Zukunft nicht völlig ausblenden. Die Zinswende ist da und schon einige Monate bevor die Europäische Zentralbank im Juli den Leitzins nach elf Jahren zum ersten Mal wieder angehoben hat, sind bereits die langfristigen Zinsen gestiegen. Diese sind ausschlaggebend für die Kreditzinsen und beeinflussen auch die Finanzierungskonditionen für Immobilien. Der Zinsanstieg führt derzeit zu einer Verunsicherung an den Märkten und wirkt sich auch auf die Immobilienwirtschaft aus. Die Investmentaktivitäten gehen zurück, die Liquidität sinkt.
Finanzierungen wie in den vergangenen fünf Jahren funktionieren nicht mehr. Bei Kreditangeboten, wo vor Kurzem noch eine 1 vor dem Komma stand, muss jetzt mit einer 3 gerechnet werden. Mit ihren sehr niedrigen Anfangsrenditen – in Berlin beispielsweise knapp 3 Prozent – sind Spitzenobjekte im Bürobereich mit den heutigen Kreditkonditionen kaum mehr finanzierbar. Investoren hinterfragen zunehmend das Preisniveau der vergangenen 18 Monate und passen Ihre Preisvorstellungen zunehmend an die neuen Rahmenbedingungen an.
Stabile Vermietungsmärkte lassen keine Rezessionsängste erkennen
Ein wirtschaftlicher Abschwung inklusive Rezessionsängsten würde bei Büroimmobilien vor allem die Nutzerseite treffen, also den Vermietungsmarkt. Unternehmen würden vorsichtiger werden bei der Anmietung neuer und größerer Flächen, die Nachfrage würde entsprechend zurückgehen. Eine solche Entwicklung können wir allerdings nicht beobachten. Im Gegenteil: Es werden sehr stark Flächen von Mietern gesucht. Auch die Berichte der großen Makler zum deutschen Büroimmobilien-Vermietungsmarkt im 1. Halbjahr 2022 vermelden gute Zahlen. Besonders gefragt sind nachhaltige, innerstädtische Lagen, die gut an den Nahverkehr angebunden sind. Das Mietpreisniveau für diese Lagen ist stabil bis steigend. Rezessionsängste sind hier nicht zu erkennen.
Eine weitere Herausforderung für die nahe Zukunft ist die Verknappung von Baumaterial und die damit verbundenen steigenden Kosten plus Personalmangel. Unter anderem sind die Preise für Holz, Beton, Glas und Metall im zweistelligen Bereich gegenüber dem Vorjahreswert gestiegen. Dies lässt die Immobilienwirtschaft nicht unberührt, es sind bereits Auswirkungen auf die Bautätigkeit zu spüren. Bauprojekte werden zunehmend zurückgestellt.
Die Auswirkungen der gestiegenen Kosten reichen auch in den Investmentbereich hinein. Bis vor Kurzem war Forward Funding, also der Kauf durch den Investor bevor der Projektentwickler seine Bauaktivitäten überhaupt startet, noch weit verbreitet. Sie waren ein gern genutztes Instrument im Kampf um die besten Objekte. Jetzt sind Investoren nicht mehr bereit, zu stark ins Risiko zu gehen und Forward-Deals finden kaum noch statt.
Hohe Baukosten verhindern Überangebot
Die Verknappung und die gestiegenen Kosten des Baumaterials sind aber nicht per se schlecht für die Immobilienmärkte. Sie tragen vielmehr dazu bei, dass keine Überangebote an den Märkten entstehen und Immobilien eine stabile Kapitalanlage bleiben. Im Bau befindliche Objekte werden zwar nicht stillgelegt, aber es werden derzeit kaum neue Projekte für die kommenden Jahre angestoßen. Es kommt also kein neues Angebot auf den Markt und damit ist auch kein Überangebot zu befürchten. Die Büromärkte dürften sich weiter als sehr robust erweisen.
Während der Corona-Pandemie ist der Büroflächenleerstand in Europa von einem sehr niedrigen Niveau durchschnittlich zwar etwas gestiegen. Mittlerweile hat sich die Entwicklung der Leerstände jedoch stabilisiert. Gerade in sehr guten Lagen gibt es häufig nur einen strukturellen Leerstand von 1 bis 2 Prozent, für Mieter sind kaum Flächen zu bekommen. Die aktuelle Situation unterscheidet sich damit deutlich von der globalen Finanzkrise, in deren Folge es in vielen Märkten zu zweistelligen Leerstandsraten kam. Selbst wenn wir wirtschaftlich in eine rezessive Phase eintreten, erwarten wir daher aufgrund der niedrigen Leerstandsraten in vielen Märkten und der geringen zukünftigen Verfügbarkeit von neuen Flächen kaum Abwärtsdruck auf die Mieten.
Europäische Core-Immobilien dürften sich unserer Ansicht nach deshalb auch künftig als stabile Kapitalanlage erweisen. Gerade in einem sich verändernden Marktumfeld mit Phasen hoher Inflation und Marktschwankungen können sie ihre drei großen Stärken ausspielen: Diversifikation des Anlageportfolios, nachhaltige Erträge und Inflationsschutz. Rund 85 bis 90 Prozent der Mietverträge im Bürobereich haben nach unseren Analysen eine Indexierung. Das heißt, die Miete steigt in der Regel mit dem Verbraucherpreisindex. Die Inflation kann also an die Mieter weitergeben werden. Das macht Investitionen im gewerblichen Bereich recht stabil. Bei Wohnimmobilien hingegen sind wir skeptischer für die mittelfristige Stabilität. Hier ist eine Indexierung der Mietverträge weniger verbreitet und die Inflation ist nur schwer an die Mieter übertragbar, da der Bereich vergleichsweise stark reguliert ist.
Immobilien passen sich an gesellschaftliche Veränderungen an
Um von einer stabilen Kapitalanlage zu profitieren, reicht es jedoch nicht, in irgendwelche Büroimmobilien zu investieren. Es müssen die richtigen sein: Immobilien, die auch zukünftigen Anforderungen genügen. Daher ist es wichtig, rechtzeitig einen Blick nach vorne zu werfen und sich Gedanken über die Büroimmobilie der Zukunft zu machen.
Immobilien gibt es seit Tausenden von Jahren. Damals sahen sie allerdings komplett anders aus als heute. Die Bedürfnisse der Nutzer waren andere, ebenso die baulichen Möglichkeiten. Im Laufe der Zeit haben sich diese stetig weiterentwickelt und so auch die Immobilien: Wenn sich die Gesellschaft ändert, muss sich die Immobilie daran anpassen. Wenn sich Nutzergewohnheiten ändern, hat das auch Einfluss auf die Immobilie.
Ein Beispiel aus der jüngsten Zeit ist das Aufleben des E-Commerce. Verbraucher kaufen weniger im Laden vor Ort ein, sondern nutzen zunehmend das Internet für ihre Einkäufe. Das hat Auswirkungen auf den stationären Einzelhandel und damit auf die Nutzer von Immobilien. Händler müssen ihre Ware anders präsentieren. Um mit dem Online-Handel erfolgreich zu konkurrieren, braucht es Flächen mit viel Emotionalität, insbesondere zentral gelegene Flächen sind hierfür gefragt.
Homeoffice nimmt zu, ersetzt aber nicht das Büro
Ein weiteres aktuelles Beispiel: Die Form unserer Arbeitsweise ändert sich. Homeoffice oder Remote Work nimmt zu. Das hat Auswirkungen auf den Büroimmobilienmarkt. In der Pandemie haben Unternehmen und Arbeitnehmer Erfahrungen mit dem Arbeiten von zuhause aus gemacht. Viele wollen nicht mehr komplett darauf verzichten, auf die Arbeit am Büroschreibtisch aber auch nicht. Konsequenz: Home Office wird bleiben, aber nicht das Büro ersetzen. Insbesondere sehr standardisierte Arbeitsfunktionen werden weniger ins Büro zurückkehren als Arbeitsfunktionen, die einen großen kommunikativen Anteil haben.
Bislang gab es viele Flächen mit Arbeitsplätzen, an denen einfach am Computer gearbeitet wurde, ein Austausch mit Kollegen war dabei nicht nötig. Diese Art von Arbeit kann künftig tendenziell im Homeoffice erledigt werden, viele der Büroflächen werden nicht mehr gebraucht. Solche Arbeitsplätze wurden oft aus Kostengründen in den Peripherien angesiedelt, wo Bürostädte in Randlagen entstanden sind. Diese Standorte stehen künftig vor großen Herausforderungen.
Gut angeschlossenen innerstädtischen Lagen gehört die Zukunft
Anders sieht es bei den innerstädtischen Flächen an verkehrlich sehr gut angebundenen Standorten aus. Hier werden kommunikative Aufgaben ausgeführt. Aber auch hier wird sich die Bürofläche verändern. Sie dient nicht mehr nur als reiner Arbeitsplatz. Da nicht mehr jeder täglich ins Büro kommt, wird es weniger Einzelarbeitsplätze geben. Das heißt aber nicht automatisch, dass Unternehmen ihre Flächen verkleinern. Vielmehr brauchen sie Raum für Bereiche der Interaktion. Diese Standorte werden die Mieter nutzen, um die Kommunikation im Unternehmen zu fördern, hier entstehen die Innovationen. Innerstädtische Standorte werden die starken, nachgefragten Standorte sein.
Bei der Entwicklung des Homeoffice spielen zudem regionale Trends eine Rolle. Homeoffice klingt zwar gut. Wer in beengten Lebensverhältnissen wohnt, möchte aber eher nicht zuhause arbeiten. In Deutschland ist die verfügbare Wohnfläche im Durchschnitt relativ hoch. Daher dürfte Homeoffice hier einen höheren Stellenwert erreichen als beispielsweise in Südeuropa. Auch in den Mega-Städten ist die Wohnsituation beengter als in Vororten oder ländlichen Gebieten. Daneben spielt das Alter eine Rolle. Technikaffine junge Leute haben durchaus das Bedürfnis, im Büro zu arbeiten – nicht nur aufgrund ihrer tendenziell eher beengten Wohnsituation, sondern sie wollen auch mehr mit ihren Kollegen direkt kommunizieren. Im Kampf um die jungen Talente sind ansprechende, gut erreichbare Büros ein wichtiger Wettbewerbsvorteil für Unternehmen.
Multifunktional statt Monostruktur
Zudem bieten innerstädtische Lagen in Europa einen weiteren Vorteil. Hier wird nicht nur gearbeitet, sondern es ist ein multifunktionaler Ort. Monostrukturierte Standorte, wie reine Bürostädte oder Einkaufszentren auf der grünen Wiese, werden künftig sehr große Probleme haben. Gefragt werden gemischt genutzte Orte sein.
Neben innerstädtischen Lagen spielen daher auch multifunktionale Quartiere in unserer Anlagestrategie eine wichtige Rolle. Solche Bereiche innerhalb von Großstädten außerhalb des Stadtkerns gewinnen immer mehr an Bedeutung. Nicht zuletzt, da sie eine wichtige Rolle bei der Dekarbonisierung spielen. In den vergangenen rund 100 Jahren seit der Industrialisierung haben wir eine Trennung zwischen Arbeit und Wohnort gesehen. Diese Trennung ist bewusst erfolgt. Arbeit war damals mit Dreck verbunden. Davor sollte die Bevölkerung geschützt werden, es wurden spezielle Arbeitsquartiere geschaffen.
Im Laufe der Zeit hat Büroarbeit immer stärker zugenommen, „Dreck“ ist hier kein Argument. Vielmehr gilt es jetzt in Zeiten des Klimawandels die Pendlertätigkeit zu senken und die durch den Verkehr erzeugten CO2-Emissionen zu minimieren. Aus heutigen Bürostandorten können solche gemischt genutzten Quartiere entstehen, sie können durch Wohnen und Nahversorgung ergänzt werden.
Paris ist hier ein Vorreiter mit der Idee der 15-Minuten-Stadt. In der Metropole sollen Quartiere entstehen, in denen in 15 Minuten mit dem Fahrrad alles Wichtige erreichbar ist: Arbeiten, Wohnen, Schule und Kindergarten, Ärzte, Einkaufen, Kultur, Sport und Erholung. Ziel ist es, den Einwohnern ein entspannteres Leben zu ermöglichen, stressige lange Wege durch dichten Verkehr überflüssig zu machen und so gleichzeitig den Verkehr und die CO2-Emissionen in der Stadt zu reduzieren. Solche integrativen Standorte werden an Bedeutung gewinnen, daran wird sich die Immobilienbranche anpassen müssen.
ESG wird treibender Faktor
Die Reduktion von Treibhausgasemissionen wird nicht nur in diesem Zusammenhang wichtig für die Immobilienwirtschaft. ESG-Kriterien, also ökologische, soziale und Governance-Kriterien, sind für Immobilien sicherlich der treibende Faktor für die nächsten 20 Jahre. Schließlich sind sie für einen signifikanten Anteil des CO2-Ausstoßes verantwortlich. Entsprechend rücken sie ins Visier von Politik und Gesellschaft.
Die ESG-Regulierung ist in den vergangenen Monaten deutlich konkreter geworden und besteht nicht mehr nur aus Ankündigungen. Eine Vielzahl von Direktiven aus Brüssel muss in nationales Recht umgesetzt werden. Übergangsfristen sind häufig relativ kurz und schnelles Handeln ist nötig. Allerdings ist die Regulierung auch fließend, regelmäßige Anpassungen sorgen dafür, dass die Branche stark verunsichert, um nicht zu sagen alarmiert ist. Unternehmen lassen Vorsicht walten, um sich nicht dem Vorwurf des Greenwashing auszusetzen. Bei der Planung von Projekten spielt stets ein ungutes Gefühl mit. Denn was heute noch als nachhaltig gilt, könnte es morgen schon nicht mehr sein.
Zurzeit wird viel ideologisch diskutiert, die technische Seite jedoch vernachlässigt. Es muss mehr geprüft werden, was tatsächlich umsetzbar ist. Selbst wenn man technologischen Fortschritt unterstellt, bleibt ein Delta gegenüber den angestrebten Zielen bei der Emissionssenkung.
Mitinitiator des GRESB-Standards
Für UBS ist Nachhaltigkeit im Immobilienbereich schon seit über zehn Jahren ein wichtiges Thema. Wir gehören zu den Initiatoren des GRESB-Standards. Dieser hat sich als Nachhaltigkeits-Benchmark für Immobilienunternehmen und Immobilienfonds etabliert. Er vergleicht alle teilnehmenden Asset Manager hinsichtlich ihrer Umsetzung von ESG-Maßnahmen. Der offene Immobilienfonds UBS (D) Euroinvest Immobilien wurde bereits zum sechsten Mal in Folge mit dem GRESB-5-Sterne-Rating bewertet. Wir haben konstant über die Jahre an unserem Portfolio gearbeitet und es aus Nachhaltigkeitssicht, etwa über Energieeinsparungen, weiterentwickelt.
Wir sind überzeugt, dass eine gute ESG-Bewertung zunehmend preisrelevant für Büroimmobilien wird. Für Investoren und Mieter gewinnen ESG-Kriterien zum einen aus gesellschaftlicher und regulatorischer Sicht an Bedeutung. Zum anderen spielen sie aus wirtschaftlicher Sicht eine wichtige Rolle. Wird beispielsweise beim Bau oder der Sanierung auf eine hohe Energieeffizienz des Gebäudes geachtet, reduzieren sich die Nebenkosten für die Mieter. Gerade bei den derzeit hohen Energiepreisen ist dies nicht zu unterschätzen.
Fazit: Wer zukunftsweisend in Büroimmobilien investieren will, sollte sich auf Objekte konzentrieren, die bereits einen hohen ESG-Standard aufweisen oder bei denen sich dieser durch entsprechende Maßnahmen herbeiführen lässt. Während aus unserer Sicht dezentrale Lagen deutlich an Wert verlieren werden, dürften zentrale innerstädtische Lagen oder auch Immobilien an multifunktionalen Standorten auf mittlere Sicht an Wert gewinnen. Städtischer Raum war schon immer Begegnungsraum, das wird sich trotz aller Technologie nicht ändern. Hier findet Kommunikation statt und Innovationen werden geboren. Entsprechend werden Immobilien gebraucht, die diese Kommunikation fördern.
Gunnar Herm, Geschäftsführer UBS Real Estate