Family Office – strategische Vermögensverwaltung für Generationen
Ein Family Office verwaltet das Grossvermögen einer Eigentümerfamilie. Es ist eine Organisation, die darauf ausgerichtet ist, die finanziellen, geschäftlichen und persönlichen Angelegenheiten einer vermögenden Familie zu verwalten und zu betreuen.
Die Vermögen in den Händen erfolgreicher Unternehmer wachsen rasant und damit auch der Bedarf an angemessenen Finanzberatungen und -dienstleistungen. Vermögende Familien haben einen zunehmenden Bedarf an Lösungen für alle drei Bereiche ihres Imperiums: ihre Familie, ihre Unternehmen und ihr Privatvermögen.
Auf den Werten der betreffenden Familie beruhend, verbindet ein Family Office die drei Wirkungskreise mit einer zielführenden Strategie. Es befasst sich darauf mit einer Auswahl folgender Tätigkeiten:
Vermögensverwaltung:
Das Family Office ist oft für die Verwaltung des Vermögens der Familie verantwortlich. Diese Aufgabe umfasst Investitionsstrategien, Portfoliomanagement, Risikomanagement und die Überwachung von finanziellen Anlagen.
Steuerplanung und Rechtsberatung:
Das Family Office unterstützt bei der Steuerplanung, bei rechtlichen Angelegenheiten und bei anderen finanziellen Belangen. Dabei werden oft auch externe Fachleute wie Anwälte und Steuerberater beigezogen.
Nachfolgeplanung:
Das Family Office spielt eine entscheidende Rolle bei der Planung der Nachfolge in Unternehmen und in Bezug auf Vermögenswerte. Es unterstützt bei der Entwicklung langfristiger Strategien, um sicherzustellen, dass der Wohlstand der Familie über Generationen hinweg bewahrt wird.
Familienangelegenheiten und Lebensstilmanagement:
Neben den finanziellen Aspekten kann das Family Office auch bei persönlichen Angelegenheiten helfen, wie der Organisation von Bildungseinrichtungen für die Kinder, Gesundheitsversorgung oder Reiseplanung.
Philanthropie:
Viele vermögende Familien engagieren sich in philanthropischen Aktivitäten. Das Family Office kann bei der Entwicklung und Umsetzung von Spendenstrategien und gemeinnützigen Projekten unterstützen.
Risikomanagement:
Das Family Office hilft bei der Identifizierung und dem Management von Risiken, sei es in Bezug auf Investitionen, auf rechtliche Angelegenheiten oder auf andere potenzielle Bedrohungen für das Familienvermögen.
Reporting und Kommunikation:
Das Family Office stellt regelmässig Berichte über die finanzielle Situation der Familie zusammen und kommuniziert mit den Familienmitgliedern über wichtige Angelegenheiten.
Family Offices haben in Europa und in der Schweiz eine lange Tradition. Bereits im europäischen Mittelalter setzten die Könige Experten ein, um das königliche Vermögen zu verwalten. In Amerika und Europa trieben grosse Firmenkonglomerate die industrielle Revolution in Branchen wie Stahl, Öl, Eisenbahn, Handel und Finanzen voran. Unternehmenskonglomerate, die Familien gehören, bleiben oft über mehrere Generationen in deren Besitz. Die Eigentumsverhältnisse können sich jedoch im Laufe der Generationen ändern. So wird beispielsweise beim Übergang von der ersten zur zweiten Familiengeneration das Alleineigentum des Unternehmensgründers auf mehrere Familienmitglieder aufgeteilt. Oder es wird aufgrund eines anstehenden Investitionsbedarfs in einem Familienunternehmen Eigenkapital über den Kapitalmarkt aufgenommen, wodurch sich die Eigentumsverhältnisse in der Familie ändern. Die nachstehende Abbildung zeigt die Entwicklung des Family-Office-Konzepts, das mittlerweile weltweit an Bedeutung gewinnt.
Es ist schwierig, eine genaue Anzahl der aktuell aktiven Family Offices zu nennen, da diese oft privat geführt werden und nicht öffentlich registriert sind. Die meisten Family Offices ziehen es vor, diskret zu bleiben. Es gibt Schätzungen, welche von bis zu 20 000 Family Offices weltweit ausgehen. Ihre Anzahl hat in den letzten Jahren zugenommen, da immer mehr wohlhabende Familien professionelle Dienstleistungen zur Verwaltung ihres Vermögens suchen.
Derzeit lässt sich eine grosse Dynamik neuer Family Offices in Singapur und in Dubai beobachten. Bei diesem Wachstum spielen einerseits zu diversifizierende Vermögen reicher Unternehmerfamilien aus China respektive Indien eine Rolle. Zum anderen sind Steuerprivilegien für den Vermögenstransfer in das Zielland, eine stabile Währung sowie ein gut funktionierendes finanzielles und legales Ökosystem im Zielland von entscheidender Bedeutung.
Nach der wirtschaftlichen Öffnung Chinas vor 30 Jahren übergeben viele Inhaber der ersten Generation das Unternehmen an ihre Nachfolger aus der zweiten Familiengeneration. In China wie auch in Europa lässt sich feststellen, dass dies häufig der Zeitpunkt ist, zu dem externe Manager und Experten von ausserhalb der Familie hinzugezogen werden. Es ist auch der Zeitpunkt, an dem eine klarere Trennung zwischen dem Industrieunternehmen im Familienbesitz und dem Privatvermögen der Familie angestrebt wird. Hier kann ein Family Office die Eigentümerfamilie unterstützen. Der Bedarf für ein Family Office kann somit unter anderem in folgenden Fällen auftreten:
Die Gründergeneration plant den Ruhestand oder das Unternehmen wird verkauft.
- Das Familienunternehmen wird an die nächste Generation übergeben. Einige Familienmitglieder verkaufen ihre Anteile. Es kommt zu gemischten Eigentumsverhältnissen.
- Das Familienunternehmen ist sehr profitabel. Es werden Dividenden ausgeschüttet. Es besteht der Wunsch, die Vermögensstruktur über das Familienunternehmen hinaus zu diversifizieren und zu erweitern. Unter Umständen wird zusätzlich ein philanthropisches Engagement angestrebt.
Ein Family Office kann in der Form eines Single Family Office aufgesetzt werden. Oder eine Unternehmerfamilie kann die Services eines externen Multi Family Offices in Anspruch nehmen.
Ein Single Family Office ist in aller Regel eine Organisation mit internen Mitarbeitern, die exklusiv für eine Unternehmerfamilie arbeitet und ihr auch gehört. Damit sich die Auslagen für ein Single Family Office rechnen, braucht es normalerweise ein Mindestvermögen von 100 bis 150 Millionen EUR. Der Vorteil eines Single Family Offices sind massgeschneiderte Lösungen und Diskretion.
Ein «Multi Family Office» bietet die oben beschriebenen Dienstleistungen als professionelle und externe Serviceorganisation an. Der Vorteil aus Sicht der Unternehmerfamilie sind standardisierte Dienstleistungen, die situationsgerecht ohne langfristige Verpflichtung und ohne Fixkostensockel eingekauft werden können.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Family Offices eine entscheidende Rolle in der Vermögensverwaltung wohlhabender Familien spielen. Die Anzahl der Family Offices weltweit ist in den letzten Jahren stetig gewachsen, da vermögende Familien zunehmend professionelle Dienstleistungen suchen, um ihre komplexen finanziellen Angelegenheiten zu verwalten. Zukünftige Entwicklungen könnten eine verstärkte Integration von digitalen Technologien sowie eine zunehmende Globalisierung und Diversifizierung der Anlagestrategien umfassen.
Markus Braun ist Dozent für Internationales Management an der ZHAW School of Management and Law, Winterthur, Schweiz. Seine Forschungsschwerpunkte sind internationales Management, grenzüberschreitende Fusionen und Übernahmen sowie internationales Vermögensmanagement und Family Office. Er unterrichtet sowohl in der Hochschulausbildung als auch in Executive-Management-Kursen. Bevor er zur ZHAW kam, war er von 2004 bis 2013 als Head of Corporate Office (Family Officer) bei der Diethelm Keller Holding AG in Zürich (Schweiz) tätig. Davor war er als CFO und stellvertretender CEO der Nuance Group in Zürich (Schweiz) und in internationalen Finanzpositionen bei Novartis / Ciba-Geigy in den USA, Singapur und der Schweiz tätig.
Er ist Mitglied des Verwaltungsrats der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich und Mitglied des Beirats des Center for Corporate Responsibility and Sustainability CCRS.
Markus Braun studierte Betriebswirtschaftslehre an den Universitäten St. Gallen und Basel. Er promovierte in Betriebswirtschaftslehre an der Universität Basel. Zu seinen Publikationen gehören „Globalisierung und Digitalisierung: Erfolgsstrategien und Toolbox für CEOs und Topmanager“ (2020), und „Mergers and Acquisitions – Integration and Transformation Management as the Gateway to Success“ (englische Ausgabe 2018, deutsche Ausgabe 2015). Für mehr siehe: www.markusbraun.ch/publications
Dies ist ein Artikel aus unserem FINANCIAL PLANNING Magazin. Hier geht es zu der aktuellen Ausgabe: