Überblick über die Phasen und Ebenen einer Unternehmensnachfolge
von ROLAND QUIRING und Dr. BENNO A. PACKI
Als Unternehmensnachfolge wird häufig die vorweggenommene Erbfolge oder der Verkauf des Unternehmens bezeichnet. Der Vorgang der Übertragung des Unternehmens auf die nächste Generation bzw. des Verkaufs steht jedoch am Ende eines längeren, typischerweise mehrjährigen Prozesses. Ausgangspunkt ist stets, sich darüber im Klaren zu sein, wie über das eigene Lebenswerk verfügt werden soll. So wie der abgebende Unternehmer sowohl sein berufliches als auch sein privates Leben auf dieses Lebenswerk ausgerichtet hat, kann auch dessen Übertragung nur unter Berücksichtigung sowohl seiner beruflichen als auch seiner privaten Verhältnisse und Vorstellungen geplant werden.
Für viele Unternehmerinnen und Unternehmer ist die Nachfolgefrage ungelöst und wird für alle Beteiligten, wie Familie, Mitarbeiter, Financiers, zu einem zunehmenden Problem. Wie eine Bugwelle wird dieses Thema vor sich hergeschoben und immer wieder durch das Tagesgeschäft verdrängt. Die Gründe dafür liegen oft auch im persönlichen Bereich. Fehlende sinnstiftende Beschäftigungen für die Zeit danach, befürchteter Bedeutungsverlust, aber auch die Sorge, andere bekommen es nicht geregelt, lähmen nicht selten und zögern Entscheidungen immer wieder hinaus. Deswegen steht eine klare Entscheidung immer am Anfang. Sollte eine Nachfolge innerhalb der Familie nicht möglich oder nicht gewollt sein, steht nun ein Unternehmensverkauf an. Die dann konsequenterweise folgende Vorbereitung darauf sollte idealerweise rund drei Jahre vor der eigentlichen Veräußerung beginnen und umfasst mehrere Phasen, deren Ziel eine Optimierung des Unternehmenswertes, eine Steigerung möglichen Käuferinteresses sowie eine Reduzierung der aus einem Verkauf resultierenden Risiken für den Verkäufer ist.
Am Anfang
… steht zunächst eine Bestandaufnahme, in der das Unternehmen und gegebenenfalls im Eigentum befindliche Betriebsimmobilien bewertet werden. Auch sollte man sich hier bereits Gedanken zur Zukunftsfähigkeit des Unternehmens – Stichworte sind „Nachhaltigkeit“ und „Digitalisierung“ – machen, damit notwendige Maßnahmen definiert und frühzeitig umgesetzt werden können. Für potenzielle Käufer gehören Fragen zu diesen Themenbereichen mittlerweile zum Standard. Empfehlenswert ist auch, mit der Zusammenstellung aller wichtigen Unterlagen für den Aufbau des später benötigten Datenraumes zu beginnen und diese laufend zu komplettieren. Schließlich – sofern nicht schon vorhanden – sollte die Bestandsaufnahme auch ein qualifiziertes Reporting umfassen, welches die Unternehmenssituation mit ihren Besonderheiten abbildet und eine darauf aufbauende rollierende Geschäftsplanung umfasst. Erfahrungsgemäß ist gerade Transparenz im Zahlenwerk eines Unternehmens eine wesentliche vertrauensbildende Maßnahme.
In der ersten Phase (noch ca. drei Jahre vor der Nachfolge)
… sollten die Gesellschaftsverträge und -beschlüsse geprüft und mögliche Handlungsfelder identifiziert, Entscheidungen hinsichtlich der Betriebsimmobilien gefällt sowie mögliche Pensionsverpflichtungen ausreichend dotiert oder besser ausgelagert werden. Ergänzend gewinnt nun auch die Bilanzierungspolitik an Bedeutung: Unter anderen legen Investoren ihren Entscheidungen in der Regel die letzten drei Jahresabschlüsse zugrunde. Sinnvollerweise sollte ab diesem Punkt auch der eigene Steuerberater ins Vertrauen gezogen werden.
In der zweiten Phase (noch ca. zwei Jahre vor der Nachfolge)
… sollte der Status der bisherigen Maßnahmen überprüft und diese fortgesetzt werden. Dabei sollte nun auch die für Unternehmen zunehmend wichtige IT-Architektur und -Infrastruktur in den Blick genommen werden. Aktualität der Systeme mit Wartungsverträgen, Backups, Datenschutz und Lizenzmanagement sind dabei nur einige Stichworte. Hier notwendige Maßnahmen erfordern ausreichende Vorbereitungszeit. Spätestens in dieser Phase ist auch eine Beschäftigung mit der Mitarbeiterstruktur notwendig. Immer bedeutender für die Attraktivität eines zu verkaufenden Unternehmens sind dessen Mitarbeiter, insbesondere die leitenden Angestellten. Bereits früh in der Informationsphase wird seitens der Kaufinteressenten nach Anzahl und vor allem Qualifikationen gefragt. Vorteilhaft ist dabei das Bestehen einer Managementebene, auf der qualifizierte und verantwortliche Mitarbeiter einen ungestörten Fortgang des operativen Geschäftes sicherstellen. Ist das nicht der Fall und der Verkäufer als Person unverzichtbar, besteht hier dringender Handlungsbedarf.
In der dritten Phase (noch ca. ein Jahr vor der Nachfolge)
… sollte mit der Dokumentation von Produkt, Know-how und Prozessen begonnen und nichtbetriebsnotwendige Liquidität im Zuge der Optimierung des letzten Jahresabschlusses entnommen werden. Anstehende Investitionen sollten geprüft und, sofern nicht dringend erforderlich, unterlassen bzw. aufgeschoben werden. Spätestens in dieser Phase sollte nun ein qualifizierter Berater eingeschaltet werden, mit dessen Unterstützung eine realistische Kaufpreisvorstellung erarbeitet und ein Zielprofil für die Käufer-/Investorensuche festgelegt wird.
Die meisten Unternehmer verkaufen ein Unternehmen zum ersten Mal, versuchen jedoch, diesen Prozess so weit wie möglich selbst zu kontrollieren. Entscheidendes Erfolgskriterium ist in der Phase der Veräußerung des Unternehmens, erfahrene und auf Unternehmensverkäufe (M&A) spezialisierte Berater – Unternehmensberater und Rechtsanwälte – hinzuzuziehen. Dies gilt sowohl für die Strukturierung und zügige Abwicklung des Verkaufsprozesses, beginnend mit einem sog. Letter of Intent, über den Due Diligence Prozess mit den entsprechenden Fragen des Käufers und dessen Berater bis zu den Kaufvertragsverhandlungen und dem Abschluss bzw. der notariellen Beurkundung des Kaufvertrages. Häufig beabsichtigen Käufer den Kaufpreis über die zu erwerbende Gesellschaft zu finanzieren, sei es, weil der Gesellschaft ein Grundstück gehört, das als Kreditsicherheit dienen könnte, weil die Gesellschaft über eine entsprechende Bonität verfügt, die günstige Kreditzinsen ermöglicht, oder aus einem anderen Grund. Wenig erfahrene Berater können hierbei schon einmal an ihre Grenzen kommen. Daher bedarf es eines erfahrenen M&A-Anwalts, um die rechtlich gangbare und von allen Beteiligten akzeptable Lösung zu finden. Nach dem Abschluss bzw. der Beurkundung des Kaufvertrages ist sicherzustellen, dass die Vollzugsvoraussetzungen eintreten, um die Fälligkeit der Kaufpreiszahlung herbeizuführen.
Neben der professionellen Durchführung hat die Veräußerung auch eine emotionale Komponente – einerseits das Loslassen von dem Lebenswerk, andererseits aber auch, wenn gewünscht, die weitere Verantwortung für das Unternehmen. Letzteres wäre einer kaufvertraglichen Regelung zugänglich und kann je nach den Vorstellungen des Einzelnen ganz unterschiedlich ausgestaltet werden – etwa durch eine befristete Weiterbeschäftigungsgarantie der Mitarbeiter, die weitere Tätigkeit als Berater oder die Bildung eines Beirats für das Unternehmen, dessen Vorsitzender der Verkäufer wird.
Nach der Veräußerung
… feiern die meisten Verkäufer die erfolgreiche Veräußerung und machen einen langen Urlaub. Mit der Veräußerung ist jedoch weder die geschäftliche noch die private Tätigkeitsebene beendet. Insbesondere bedürfen Erwerber regelmäßig der Mitwirkung der Verkäufer bei der Übernahme der Geschäftsleitung. Dabei hat der Verkäufer die Gelegenheit, sich von den Kunden und Lieferanten zu verabschieden und ihnen gleichzeitig den Erwerber vorzustellen.
Zugleich sollte der Verkäufer seine persönliche Vermögens- und Lebensplanung finalisieren und umsetzen. Vermögensverwalter können bei der Erarbeitung einer entsprechenden Investment- und Vermögensstrategie für die Planung der Liquidität und der Kapitalanlagen in verschiedene Anlageklassen beraten und unterstützen und sollten hinzugezogen werden. Ebenso sollte berücksichtigt werden, ob und in welcher Höhe die Altersversorgung bereits anderweitig gesichert ist oder durch Verwendung des erhaltenen Kaufpreises abgedeckt werden soll.
Je nach Größe des Vermögens und persönlichen Zielen kann darüber hinaus eine gemeinnützige oder eine privatnützige Stiftung gegründet und mit Kapital zum Zweck der Verwaltung und Sicherung des Vermögens ausgestattet werden. Schließlich kann die Übernahme des Vorstands der Stiftung für den einen oder die andere auch deshalb interessant sein, weil sie mit entsprechendem Ansehen verbunden ist. Im Übrigen sollten die steuerlichen Freibeträge ausgenutzt werden, wenn man Vermögen im Schenkungsweg auf die nächste Generation übertragen möchte.
Über die Autoren:
Roland Quiring, selbstständiger Partner bei EUROCONSIL Unternehmensnachfolge, M&A
Dr. Benno A. Packi, Rechtsanwalt und Partner bei adesse anwälte
Dies ist ein Artikel aus unserem FINANCIAL PLANNING Magazin. Hier geht es zu der aktuellen Ausgabe: